Scheidung: unkompliziert, günstig und schnell - ➠ jetzt informierenWendet der betreuende Elternteil erlittene häusliche Gewalt ein, so verstärkt die Ausstrahlungswirkung von Art. 31 der Istanbul-Konvention zum einen die Amtsermittlungspflicht des Familiengerichts in diese Richtung, zum anderen wirkt jene Norm auch materiell-rechtlich auf die Voraussetzungen der Übertragung der gemeinsamen
elterlichen Sorge (hier nach
§ 1626a Abs. 2 BGB) ein; insbesondere darf es diesem Elternteil nicht als mangelnde Kooperationsbereitschaft ausgelegt werden, wenn er sich gegenüber dem anderen Elternteil aufgrund - erwiesenermaßen - erlebter häuslicher Gewalt ablehnend verhält.
Außerdem kann der gewaltbetroffene Elternteil in der Regel nicht zur einer „Restkooperation“ mit dem anderen Elternteil verpflichtet werden, sodass selbst eine ihm vom anderen Elternteil umfassend erteilte Sorgevollmacht eine Alleinsorge des betreuenden Elternteils häufig nicht entbehrlich machen wird.
Hierzu führte das Gericht aus:
Das Familiengericht hat gegen die Inquisitionsmaxime des
§ 26 FamFG verstoßen, indem es eine Endentscheidung erlassen hat, ohne den Sachverhalt von Amts wegen ausreichend aufzuklären.
Dieser Vorschrift gemäß hat das Gericht von sich aus – nach pflichtgemäßem Ermessen – die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen und durchzuführen sowie die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen, wobei es allerdings – auch in kindschaftsrechtlichen Verfahren – selbst über den Umfang seiner Ermittlungen bestimmt. Dabei erfordert der Amtsermittlungsgrundsatz in Kindschaftssachen, welche – wie hier – die Person des Kindes anbetreffen, eine am Grundrechtsschutz ausgerichtete Verfahrensgestaltung und eine besonders sorgfältige eigene Ermittlung des Sachverhalts, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am
Kindeswohl orientierte Entscheidung zu haben. Zwar muss das Gericht nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgehen. Eine Pflicht zu der Aufklärung dienlichen Ermittlungen besteht jedoch insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Prüfung hierzu Anlass geben. Die Ermittlungen sind erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist.
Im – hier gegenständlichen – Verfahren auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626 a Abs. 2 BGB gelten insoweit keine geringeren Anforderungen. Denn diese Vorschrift begründet – unter Ausnahme ihres hier nicht einschlägigen Abs. 2 S. 2, dessen verfahrensrechtliches Korrelat sich in
§ 155a Abs. 3 FamFG wiederfindet – kein Regel-Ausnahme-Verhältnis, einen Vorrang oder eine Vermutung zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge. Ebenso wenig ist für Umstände, die der Übertragung der Sorge gemeinsam entgegenstehen, ein höheres Beweismaß zu fordern. Der Sachverhalt ist vielmehr vom Gericht umfassend und ergebnisoffen aufzuklären. Erst wenn sich nach erschöpfender Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht, ergibt sich aus der negativen Formulierung der Kindeswohlprüfung eine gesetzgeberische Entscheidung zur (objektiven) Feststellungslast. Aus dieser insoweit entsprechend dem gesetzlichen Leitbild zu Lasten der Aufrechterhaltung der Alleinsorge der Mutter getroffenen Regelung folgt, dass im Zweifelsfall die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam auszusprechen ist.
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