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Infektionsrisiko steht der Schulpflicht als Schulbesuchspflicht nicht entgegen

Familienrecht | Lesezeit: ca. 6 Minuten

Das Vorbringen der Eltern, die Kinder könnten wegen des Risikos einer Infektion mit COVID-19 zum Schutz ihres weiteren Kindes nicht die Schule besuchen, steht der Schulpflicht als Schulbesuchspflicht nicht entgegen. Ziel der Schulpflicht ist die Durchsetzung des legitimen staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags, der sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen richtet, sondern auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft sollen teilhaben können. Soweit die Grundrechtspositionen von Eltern und Kindern einerseits und der Erziehungsauftrag des Staats andererseits kollidieren, sind diese Konflikte im Einzelfall im Wege einer Abwägung nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz zu lösen.

Dies gilt auch für eine mit der Schulbesuchspflicht einhergehende mögliche Betroffenheit des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Schüler. Es ist Aufgabe des hierfür demokratisch legitimierten Gesetzgebers und der seiner Kontrolle unterliegenden Exekutive, den Gesundheitsschutz bezogen auf das Risiko einer Infektion mit COVID-19 und etwaiger Folgeerkrankungen einerseits und körperlich-gesundheitliche und psychologische Beeinträchtigungen sowie soziale Auswirkungen aufgrund anhaltenden Distanzunterrichts andererseits im Spannungsverhältnis von Individualgrundrechten und Schulpflicht angemessen in Abwägung zu bringen und einer vertretbaren Bewertung zuzuführen.

Im Hinblick auf den Gesundheitsschutz sind an den Schulen in Nordrhein-Westfalen Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion mit COVID-19 getroffen worden. Es gelten Maskenpflicht und Abstandsregeln sowie Quarantäneregeln. Die Testpflicht ist seit dem 28. Februar 2022 an den weiterführenden Schulen, deren Besuch hier in Frage steht, für bereits immunisierte Personen aufgehoben. Es gilt die sogenannte 3-G-Regel. Alle Schülerinnen und Schüler, die nicht immunisiert sind, müssen an dem Testverfahren teilnehmen, d.h. dreimal wöchentlich stattfindende Antigen-Selbsttests vor Unterrichtsbeginn in den Schulen durchführen. Immunisierte Schülerinnen und Schüler dürfen daran freiwillig teilnehmen.

Die Nichtteilnahme von Schülerinnen und Schülern am Präsenzunterricht kann zum Schutz ihrer Angehörigen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen und nur vorübergehend in Betracht kommen. Dies setzt voraus, dass ein ärztliches Attest des betreffenden Angehörigen vorgelegt wird, aus dem sich die Corona-relevante Vorerkrankung ergibt. Eine Entbindung von der Teilnahme am Präsenzunterricht kommt vor allem dann in Betracht, wenn sich die oder der Angehörige aufgrund des individuellen Verlaufs ihrer oder seiner Vorerkrankung vorübergehend in einem Zustand erhöhter Vulnerabilität befindet. Vorrangig sind Maßnahmen der Infektionsprävention innerhalb der häuslichen Gemeinschaft zum Schutz dieser Angehörigen zu treffen.

Nach alldem ist nicht ersichtlich, dass ein Schulbesuch der Kinder vorliegend unzumutbar wäre. Dem Interesse an einer möglichst lückenlosen Gewährleistung des schulischen Bildungsauftrags durfte hier den Vorrang gegenüber einer möglichen Gefährdung der Kinder durch das SARS-CoV-2-Virus eingeräumt werden.

Die entsprechenden Anordnungen der Ordnungsverfügungen lassen keine Ermessensfehler erkennen. Sie sind zur Verwirklichung des gesetzlichen Ziels der Durchsetzung der Schulpflicht geeignet, erforderlich und angemessen.

Zwar haben die Eltern ärztliche Atteste für die Kinder vorgelegt, diese genügen aber nicht den an sie zu stellenden Anforderungen. In Anlehnung an die zur Befreiung von der Maskenpflicht entwickelten Grundsätze muss sich aus den vorgelegten ärztlichen Attesten regelmäßig nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund des Schulbesuchs alsbald zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, sind diese konkret zu bezeichnen. Darüber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist. Die Verwaltung bzw. das Gericht muss, wie auch in anderen Rechtsgebieten, aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den ärztlichen Bescheinigungen in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen selbstständig zu prüfen.


VG Köln, 16.03.2022 - Az: 10 L 342/22

ECLI:DE:VGK:2022:0316.10L342.22.00

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