Scheidung: unkompliziert, günstig und schnell - ➠ jetzt informierenDer Trennungswille eines Ehegatten ist jedenfalls mit dem Zugang des Verfahrenskostenhilfeantrages für ein beabsichtigtes
Scheidungsverfahren auch für den anderen Ehegatten erkennbar (hier: Trennung während der Inhaftierung eines Ehegatten).
Die vom Ehepartner mitgetragene Erwerbslosigkeit rechtfertigt regelmäßig weder die Beschränkung noch den Wegfall des
Versorgungsausgleichs nach
§ 27 VersAusglG.
Hierzu führte das Gericht aus:
Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist (
§ 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen (§ 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Nachdem Härtegründe i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB nicht konkret geltend gemacht werden, kann die Scheidung der Ehe erst nach Ablauf des
Trennungsjahres erfolgen. Nach
§ 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt. Eheliche Gemeinschaft bedeutet hierbei nicht notwendig das Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung.
Entscheidend ist in Fällen des fehlenden täglichen Zusammenlebens, wann der Trennungswille des Antrag stellenden Ehegatten - also sein Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht fortführen zu wollen - für den anderen Ehegatten erkennbar geworden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Scheidung trägt die Antragstellerin.
Vorliegend ist das Trennungsjahr jedenfalls im Verlauf des Beschwerdeverfahrens abgelaufen:
Die eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer häuslichen Gemeinschaft besteht jedenfalls seit der Inhaftierung des Antragsgegners im Mai 2019 nicht mehr.
Vom Trennungswillen der Antragstellerin hat der Antragsgegner spätestens mit Zugang des Scheidungsantrags zur Stellungnahme im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren im Dezember 2019 Kenntnis erlangt. Nach Zugang dieses Antrags musste er davon ausgehen, dass die Antragstellerin die eheliche Gemeinschaft nicht weiter aufrechterhalten und geschieden werden wollte; dass die Antragstellerin ihn nach diesem Zeitpunkt noch in der JVA besucht hat, behauptet der Antragsgegner nicht.
Die Antragstellerin hat durchgehend bekundet, dass sie nicht bereit ist, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Antragsgegner wieder herzustellen und nach wie vor geschieden werden will. Die gegenteilige Auffassung des Antragsgegners steht der Scheidung nicht entgegen, weil auch die Abkehr nur eines Ehegatten von der ehelichen Lebensgemeinschaft zur Folge hat, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft nicht erwartet werden kann (§ 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Das Familiengericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder gar einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit nach § 27 Satz 1 und 2 VersAusglG zutreffend verneint.
Grobe Unbilligkeit liegt nur vor, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewähren, dem Gerechtigkeitsgedanken in unerträglicher Weise widersprechen würde.
Die Härteklausel ermöglicht keine generelle Korrektur des Versorgungsausgleichs, sondern greift nur im Einzelfall ein, wenn nach Abwägung sämtlicher Lebensumstände der Ehegatten ein Ausgleich oder eine Beschränkung des Ausgleichs zwingend geboten ist. Im Rahmen einer umfassenden Härtefallprüfung sind insbesondere die wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten sowie auch persönliche Lebensumstände mit nur mittelbarem wirtschaftlichem Bezug zu berücksichtigen.
Abzuwägen sind die Umstände, die zu diesen Lebensverhältnissen geführt haben und die beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse einschließlich der Möglichkeit zum Aufbau weiterer Versorgungsanwartschaften. Bereits aus dem Wortlaut des § 27 VersAusglG ergibt sich, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Regelfall und ein - selbst teilweiser - Ausschluss des Ausgleichs die Ausnahme ist, wobei selbst atypische Rollenverteilungen und fehlende vergleichbar intensive Beteiligung am Familienunterhalt nicht zur Anwendung von § 27 VersAusglG führen.
Hinsichtlich des Fehlens der Erheblichkeit der begangenen Straftaten und der während der Ehezeit verbüßten Haftstrafe wird auf die zutreffenden Ausführungen des Familiengerichts Bezug genommen.
Auch im Übrigen sind die Voraussetzungen einer Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht gegeben.
Der Ausgleich hat nicht schon deshalb zu unterbleiben, weil die jetzt 62 Jahre alte Antragstellerin künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen und weitere Versorgungsanrechte hinzuerwerben kann, während dies dem noch nicht 50 Jahre alten ausgleichsberechtigten Antragsgegner in der bis zum Erreichen der allgemeinen Rentenaltersgrenze noch möglich sein könnte.
Zum einen erscheint letzteres auf Grund der bisherigen Erwerbsbiographie des Antragsgegners eher unwahrscheinlich; der Antragsgegner hat keinen Beruf erlernt, infolge wiederholter Inhaftierungen und Entgiftungs- bzw. Entzugsbehandlungen ist er in der Vergangenheit nur sporadisch erwerbstätig gewesen. Zudem könnte der Antragsgegner auch bei unterstellter künftiger Erwerbstätigkeit die in der Ehezeit entstandene Versorgungslücke nicht ausgleichen. Schließlich ist zu bedenken, dass diese Umstände bei Eheschließung bestanden und während der Ehe fortdauerten. Sie haben mithin die gemeinsame Lebensgestaltung und die Ausgestaltung der ehelichen Lastenverteilung geprägt.
Handgreiflichkeiten, Einschüchterungen, Unannehmlichkeiten aus strafrechtlicher Verfolgung wegen Führen des Fahrzeugs der Antragstellerin ohne Fahrerlaubnis sowie Belastung durch Abtragen von Geldstrafen und anderen Verbindlichkeiten des Antragsgegners reichen unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen des § 27 VersAusglG nicht aus, um einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu rechtfertigen.
Fehlverhalten eines Ehegatten im persönlichen Bereich ist, soweit es nicht die Schwelle einer erheblichen Straftat erreicht, nur dann geeignet, eine grobe Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs zu begründen, wenn es wegen seiner Auswirkungen auf den anderen Ehegatten ganz besonders ins Gewicht fällt, etwa weil der ausgleichsberechtigte Ehegatte seine gegenüber dem anderen Ehegatten bestehenden Pflichten lange Zeit nachhaltig oder unter besonders kränkenden Begleitumständen verletzt hat, Hierzu zählt z.B. die Ausübung von Prostitution ohne Kenntnis des Anderen. Die zudem nicht hinreichend konkret dargelegten Verhaltensweisen des Antragsgegners erreichen diese Erheblichkeitsschwelle nicht.
Schließlich vermag auch die von der Antragstellerin geltend gemachte (streitige) mangelhafte Mitwirkung bei der Versorgung der Familie während der Ehe die Anwendung von § 27 VersAusglG nicht zu begründen.
Unzureichende Beteiligung am Familienunterhalt und Unterlassen des Aufbaus einer eigenen Altersvorsorge rechtfertigen die Anwendung von § 27 VersAusglG dann nicht, wenn damit aufgrund der unterschiedlichen schulischen und beruflichen Entwicklung bereits bei Eingehung der Ehe zu rechnen war bzw. wenn die Ehe trotzdem fortgeführt wurde.
So liegt der Fall hier.
Aufgrund des bei Eheschließung nicht gesicherten Aufenthaltsrechts des Antragsgegners, seiner fehlenden Berufsausbildung sowie seines durchgängig unveränderten Erwerbsverhaltens während des Zusammenlebens der Beteiligten, das seine Ursachen zumindest auch in der nicht erfolgreich behandelten Drogensucht des Antragsgegners hatte, musste der Antragstellerin bewusst sein, dass der Antragsgegner allenfalls einen geringen Beitrag zum Familienunterhalt leisten und dass er seinerseits keine wesentlichen Rentenanwartschaften begründen würde. Wenn sie gleichwohl die Ehe mit ihm geschlossen und fortgesetzt hat, kann sie nach nunmehrigem Scheitern der Ehe nicht mit Erfolg einwenden, die Teilhabe des Antragsgegners an den von ihr während der Ehezeit erwirtschafteten Versorgungsanrechten sei grob unbillig.