Billiger als eine fehlerhafte Berechnung: ➠ Unterhaltsberechnung über AnwaltOnlineLebt ein gemeinsamer Hund im Haushalt, entsteht bei der
Trennung oder
Scheidung oft ein erbitterter Streit darüber, bei wem das Tier zukünftig leben soll. Für viele ist der Hund schließlich ein vollwertiges Familienmitglied, dessen Verlust unvorstellbar scheint. Gerichte müssen daher regelmäßig entscheiden und versuchen, sowohl den Eigentumsverhältnissen als auch dem Wohl des Tieres gerecht zu werden.
Ein Tier ist keine Sache - oder?
Ausgangspunkt ist die besondere Stellung von Tieren im Recht. Gemäß
§ 90a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind Tiere keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Gleichzeitig bestimmt dieselbe Vorschrift, dass auf sie die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, soweit nichts anderes bestimmt ist. Dieser scheinbare Widerspruch prägt die gesamte Rechtsprechung zum Thema.
Für getrenntlebende oder geschiedene Ehegatten bedeutet dies, dass ein gemeinsam gehaltener Hund im Rahmen der
Hausratsverteilung behandelt wird. Er gilt als sogenannter „Haushaltsgegenstand“, dessen Zuweisung sich nach den §§
1361a und
1568b BGB richtet - auch wenn diese Einordnung für Tierliebhaber befremdlich klingen mag. Die Gerichte betonen jedoch zunehmend, dass die besondere Natur des Hundes als Lebewesen bei der Entscheidung berücksichtigt werden muss. Das gesetzgeberische Bekenntnis aus § 90a BGB fließt somit in die richterliche Abwägung ein.
Zuerst die Eigentumsfrage klären
Bevor eine Zuweisung des Hundes erfolgen kann, muss zwingend die Eigentumsfrage geklärt werden. Hier gibt es zwei grundlegende Konstellationen: das Alleineigentum eines Partners und das Miteigentum beider.
Steht der Hund im Alleineigentum nur eines Partners, kann dieser die Herausgabe des Tieres vom anderen verlangen. Ein solcher Anspruch ergibt sich direkt aus § 985 BGB. In diesem Fall sind Kriterien wie das Tierwohl oder die engere emotionale Bindung des anderen Partners für die Eigentumsfrage nachrangig. Das Landgericht Koblenz entschied in einem Fall um eine französische Bulldogge, dass es nicht auf das Tierwohl ankomme, wenn ein Partner sein alleiniges Eigentum nachweisen kann (LG Koblenz, 07.10.2019 - Az:
6 S 95/19). Der Gesetzgeber habe keine Regelung getroffen, nach der das vermeintliche Tierwohl die gesetzlich normierten Eigentumsrechte aushebeln könne. Auch das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte, dass eine Zuteilung eines im Alleineigentum stehenden Tieres an den anderen Ehepartner gesetzlich nicht vorgesehen ist (OLG Stuttgart, 16.04.2019 - Az:
18 UF 57/19).
Viel häufiger ist jedoch der Fall, dass der Hund während der Partnerschaft gemeinsam angeschafft wurde. Bei Eheleuten gilt dann die Vermutung, dass es sich um gemeinsames Eigentum handelt. Diese Miteigentumsvermutung aus § 1568b Abs. 2 BGB wird bei getrenntlebenden Paaren analog angewendet (OLG Nürnberg, 07.12.2016 - Az:
10 UF 1249/16). Wer den Kaufpreis gezahlt oder die Hundesteuer entrichtet hat, ist für die Annahme von Miteigentum nicht allein ausschlaggebend (OLG Nürnberg, 07.12.2016 - Az:
10 UF 1249/16; OLG Schleswig, 20.02.2013 - Az:
15 UF 143/12). Kann keine der Parteien ihr Alleineigentum beweisen, wird von Miteigentum ausgegangen, und der Hund wird im Rahmen der Hausratsteilung nach Billigkeit verteilt.
Die Zuweisung bei Ehegatten: Wer bekommt den Hund nach der Trennung?
Steht der Hund im Miteigentum der Eheleute, muss das Gericht eine Zuweisungsentscheidung nach „billigem Ermessen“ treffen, wie es
§ 1361a BGB vorschreibt. Die üblichen Kriterien für die Verteilung von Hausrat, wie die Erforderlichkeit für die Führung eines eigenen Haushalts oder die Schwierigkeit einer Ersatzbeschaffung, sind bei einem Haustier unpassend (vgl. OLG Nürnberg, 07.12.2016 - Az:
10 UF 1249/16). Daher hat die Rechtsprechung eigene, auf das Tierwohl zugeschnittene Kriterien entwickelt.
Als oberstes Prinzip gilt dabei das Wohl des Tieres (AG Marburg, 03.11.2023 - Az:
74 F 809/23 WH). Im Zentrum steht die Frage, wer die Hauptbezugsperson des Hundes ist. Dabei kommt es nicht nur darauf an, wer sich während der Ehe überwiegend gekümmert hat. Lebt der Hund nach der Trennung bereits seit längerer Zeit stabil bei einem Partner, entwickelt sich dieser zur neuen Hauptbezugsperson. Eine Trennung von dieser Person wäre dann mit dem Wohl des Tieres nicht mehr vereinbar. Das Oberlandesgericht Oldenburg lehnte daher die Herausgabe einer Hündin ab, die bereits seit über zweieinhalb Jahren beim Ehemann lebte, weil dieser sich zur Hauptbezugsperson entwickelt hatte (OLG Oldenburg, 16.08.2018 - Az:
11 WF 141/18).
Weitere wichtige Aspekte sind die zukünftigen Betreuungsmöglichkeiten und die Lebensumstände. Das Amtsgericht Marburg sprach im oben genannten Fall einen Hund dem Ehemann zu, weil dieser überwiegend von zu Hause arbeiten konnte und dem Tier ein Haus mit Garten bieten konnte, was einen erheblichen Zuwachs an Lebensqualität. Im Gegensatz dazu hätte der Hund bei der Ehefrau an fünf Tagen pro Woche für jeweils sechs Stunden allein bleiben müssen.
Auch die Kontinuität des Umfelds spielt eine große Rolle. Ein erneuter Umgebungswechsel soll dem Tier nach Möglichkeit erspart bleiben. Dies gilt insbesondere, wenn mehrere Hunde im Haushalt leben. Gerichte sind bestrebt, ein bestehendes „Rudel“ nicht ohne Not zu trennen, da Hunde soziale Bindungen untereinander aufbauen und unter einem Verlust leiden (vgl. AG München, 02.01.2019 - Az:
523 F 9430/18). So entschied auch das Oberlandesgericht Nürnberg, ein Hunderudel nicht zu trennen, das durch den Auszug eines Ehepartners und den Tod anderer Tiere bereits erheblichen Veränderungen ausgesetzt war (OLG Nürnberg, 07.12.2016 - Az:
10 UF 1429/16). Dies ist jedoch keine unumstößliche Regel. Das Oberlandesgericht Schleswig sprach in einem anderen Fall dem Ehemann eine von drei Hündinnen zu und sah die Auflösung der Einheit als für die Tiere verkraftbar an (OLG Schleswig, 20.02.2013 - Az:
15 UF 143/12).
Gibt es ein „Umgangsrecht“ für den Hund?
Der Wunsch, den Hund auch nach der Trennung regelmäßig sehen zu können, ist menschlich nachvollziehbar. Rechtlich muss hier jedoch streng zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren unterschieden werden.
Für Ehegatten gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf ein Umgangsrecht mit dem Tier. Das Oberlandesgericht Hamm hat klargestellt, dass die Regelungen des Sorge- und Umgangsrechts für Kinder nicht auf Tiere übertragen werden können (OLG Hamm, 25.11.2010 - Az:
II-10 WF 240/10). Bei diesen Vorschriften stehe das Kindeswohl im Vordergrund, nicht die Befriedigung emotionaler Bedürfnisse der Eltern. Auch aus den Vorschriften zur Hausratsverteilung lasse sich ein solches Recht nicht ableiten. Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte diese Rechtsauffassung (OLG Stuttgart, 16.04.2019 - Az:
18 UF 57/19).
Anders kann die Situation bei unverheirateten Paaren sein, die den Hund gemeinsam angeschafft haben und somit Miteigentümer sind. Hier greifen nicht die familienrechtlichen Regelungen, sondern das allgemeine Recht des gemeinschaftlichen Eigentums. Nach diesem kann jeder Miteigentümer eine dem Interesse aller entsprechende „Verwaltung und Benutzung“ verlangen. Das Landgericht Frankenthal entschied daher, dass dies auch eine Art „Wechselmodell“ für den Hund beinhalten kann (vgl. LG Frankenthal, 12.05.2023 - Az:
2 S 149/22). Das Gericht verurteilte einen Ex-Partner, einer Regelung zuzustimmen, nach der sich beide abwechselnd im Zwei-Wochen-Rhythmus um den gemeinsamen Labrador kümmern. Eine Gefährdung des Tierwohls konnte die Kammer durch eine solche gleichberechtigte Teilhabe nicht erkennen.
Mögliche Regelungen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften
Da für
unverheiratete Paare das Hausratsrecht nicht gilt, sind Streitigkeiten um den gemeinsamen Hund nach allgemeinem Zivil- und Sachenrecht zu lösen. Wie bereits dargelegt, ist die Eigentumsfrage entscheidend. Lässt sich ein Alleineigentümer nicht ermitteln, liegt Miteigentum vor. Die Miteigentümer müssen sich dann über die weitere „Verwaltung“ des Hundes einigen. Können sie dies nicht, kann jeder die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen. Im Extremfall könnte dies bedeuten, dass der Hund verkauft und der Erlös geteilt wird. Diesen Weg deutete eine Richterin am Amtsgericht München an, um die verhärteten Fronten zwischen einem Paar aufzubrechen (AG München, 29.07.2010 - Az:
275 C 9063/10). Die Drohung, das Tier an einen Dritten verkaufen zu müssen, führte schließlich zu einer Einigung, bei der die Frau den Hund behalten durfte und dem Mann die Hälfte des ursprünglichen Kaufpreises als Ausgleich zahlte.
Finanzielle Aspekte: Wer zahlt Unterhalt und Kosten für den Hund
Neben der Frage des Verbleibs können auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen. Einigen sich die Partner in einer
Trennungs- oder Scheidungsfolgenvereinbarung darauf, dass einer für den beim anderen verbleibenden Hund eine Art Unterhalt zahlt, ist diese Vereinbarung bindend. Das Oberlandesgericht Zweibrücken stufte eine solche Zahlungsverpflichtung als Dauerschuldverhältnis ein, das nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann (OLG Zweibrücken, 12.05.2006 - Az:
2 UF 87/05). Hat ein Partner nach der Trennung sämtliche Kosten für Futter und Tierarzt getragen, kann theoretisch ein Anspruch auf Erstattung gegen den anderen Miteigentümer bestehen. Ein solcher Anspruch muss jedoch konkret und substantiiert dargelegt und bewiesen werden, was in der Praxis oft schwierig ist (vgl. LG Koblenz, 07.10.2019 - Az:
6 S 95/19).