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Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit der pandemiebedingten „Gutscheinlösung“ unzulässig

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 55 Minuten

Die Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit der pandemiebedingten „Gutscheinlösung“ für Freizeitveranstalter und -einrichtungen ist unzulässig.

Hierzu führte das Gericht aus:

A.

Die konkrete Normenkontrolle richtet sich gegen die in Art. 240 § 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB geregelte Berechtigung von Veranstaltern von Freizeitveranstaltungen zur Übergabe eines Gutscheins anstatt der Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts, wenn solche Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnten (sog. Gutscheinlösung).

I.

1. Grundlage des Gesetzgebungsverfahrens war ein Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht vom 21. April 2020 (vgl. BTDrucks 19/18697).

Zur Begründung wird im Gesetzentwurf ausgeführt, von der Ausbreitung der Corona-Pandemie in der Bundesrepublik Deutschland seien aufgrund der mit der Pandemie verbundenen Veranstaltungsverbote auch Veranstaltungswesen und Freizeiteinrichtungen betroffen. Könnten bereits erworbene Eintrittskarten oder Nutzungsberechtigungen für abgesagte Freizeitveranstaltungen oder geschlossene Freizeiteinrichtungen nicht mehr eingelöst werden, wären die Inhaber der Eintrittskarten beziehungsweise Nutzungsberechtigungen nach geltendem Recht berechtigt, vom jeweiligen Veranstalter oder Betreiber die Erstattung des Eintrittspreises oder Entgelts zu verlangen. Es sei zu erwarten, dass viele Inhaber von Eintrittskarten beziehungsweise Nutzungsberechtigungen hiervon Gebrauch machten. Die Veranstalter, die regelmäßig bereits erhebliche Kosten für Planung, Werbung und Organisation der Veranstaltungen gehabt hätten und vielfach mit Leistungen für Künstler und Veranstaltungstechnik in Vorleistung gegangen seien, wären mit einem erheblichen Liquiditätsabfluss konfrontiert. Da sie infolge der Krise derzeit kaum neue Einnahmen hätten, sei für viele eine die Existenz bedrohende Situation entstanden (vgl. BTDrucks 19/18697, S. 1, 5).

Daher würden Veranstalter von Freizeitveranstaltungen berechtigt, den Inhabern der Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein zu übergeben, der entweder für eine Nachholveranstaltung oder eine alternative Veranstaltung eingelöst werden könne. Vergleichbares gelte für Betreiber und Nutzungsberechtigte von Freizeiteinrichtungen. Der Inhaber eines Gutscheins könne jedoch die Auszahlung des Gutscheinwerts verlangen, wenn ihm die Annahme des Gutscheins aufgrund seiner persönlichen Lebensverhältnisse unzumutbar sei oder wenn der Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst werde (vgl. BTDrucks 19/18697, S. 1 f.).

2. Der Deutsche Bundestag beriet den Gesetzentwurf am 22. April 2020 und überwies ihn federführend an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sowie an weitere Ausschüsse (vgl. BTPlenarprotokoll 19/155, S. 19250 ff.). Der federführende Ausschuss gab am 13. Mai 2020 seine Beschlussempfehlung und einen Bericht ab und empfahl, den Gesetzentwurf grundsätzlich unverändert mit der Maßgabe anzunehmen, dass die Bezeichnung des Gesetzentwurfs als „Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE)“ gefasst und nach Art. 1 ein neuer Art. 1a betreffend das Recht der Europäischen Gesellschaft und der Europäischen Genossenschaft eingefügt werde (vgl. BTDrucks 19/19218, S. 4).

3. Am 14. Mai 2020 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz in der Ausschussfassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD (vgl. BTPlenarprotokoll 19/160, S. 19919 f.). Mit Beschluss vom 15. Mai 2020 stimmte der Bundesrat dem Gesetz zu (vgl. BRDrucks 248/20).

Durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vom 15. Mai 2020 (vgl. BGBl I S. 948) wurde dem Art. 240 EGBGB folgender § 5 angefügt:

§ 5

Gutschein für Freizeitveranstaltungen und Freizeiteinrichtungen

(1) Wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben. Umfasst eine solche Eintrittskarte oder sonstige Berechtigung die Teilnahme an mehreren Freizeitveranstaltungen und konnte oder kann nur ein Teil dieser Veranstaltungen stattfinden, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einen Gutschein in Höhe des Wertes des nicht genutzten Teils zu übergeben.

(2) Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben.

(3) Der Wert des Gutscheins muss den gesamten Eintrittspreis oder das gesamte sonstige Entgelt einschließlich etwaiger Vorverkaufsgebühren umfassen. Für die Ausstellung und Übersendung des Gutscheins dürfen keine Kosten in Rechnung gestellt werden.

(4) Aus dem Gutschein muss sich ergeben,

1. dass dieser wegen der COVID-19-Pandemie ausgestellt wurde und

2. dass der Inhaber des Gutscheins die Auszahlung des Wertes des Gutscheins unter einer der in Absatz 5 genannten Voraussetzungen verlangen kann.

(5) Der Inhaber eines nach den Absätzen 1 oder 2 ausgestellten Gutscheins kann von dem Veranstalter oder Betreiber die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen, wenn

1. der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder

2. er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.

Nach Art. 2 des Gesetzes trat dieses Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Ausfertigung erfolgte am 15. Mai 2020 und die Verkündung im Bundesgesetzblatt vom 19. Mai 2020 (vgl. BGBl I S. 948 f.).

4. Nach Art. 6 Abs. 6 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (vgl. BGBl I S. 569 ff.) trat Art. 240 EGBGB am 30. September 2022 außer Kraft.

II.

Dem Normenkontrollverfahren liegt eine Vorlage des Amtsgerichts Frankfurt am Main zugrunde, welches das Verfahren mit Beschluss vom 28. September 2020 ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt hat, ob Art. 240 § 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB mit der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Vertrauensschutzgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist.

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