Ein Duldungsanspruch des Vermieters wegen geplanten Austausches von Bleiwasserleitungen kann wegen Unzumutbarkeit aufgrund der gesundheitlichen Situation des Mieters (hier: Hochrisikopatient) scheitern, auch wenn der Mieter wegen desselben zu beseitigenden Mangels bisher die Miete gemindert hat.
Hierzu führte das Gericht aus:
Zwar findet bei der Duldungspflicht nach
§ 555a BGB keine Interessenabwägung statt. Als allgemeines Prinzip jeder Rechtsausübung ist im Rahmen der Duldung aber zu prüfen, ob die beabsichtigten Instandsetzungsmaßnahmen dem Mieter zumutbar sind. Dabei gilt das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Hierbei kommt es auf die persönlichen Verhältnisse des Mieters an, auf die Dauer und Schwere der Beeinträchtigung sowie auf die Dringlichkeit der vom Vermieter auszuführenden Arbeiten.
Vorliegend ist die Kammer aufgrund der vorgelegten Krankenunterlagen der Beklagten davon überzeugt, dass dieser ein Umzug in ein Hotel für die Dauer von acht Werktagen, welcher unstreitig durch die Instandsetzungsarbeiten erforderlich wäre, nicht zumutbar ist. Die Klägerin leidet akut unter einem Hodgkin-Lymphom. Am 11.3.2020 musste sie sich einer Operation unterziehen, bei der der von Krebs befallene Lymphknoten entfernt wurde. Vom 28.03.2020 bis zum 30.03.2020 befand sich die Beklagte aufgrund einer Wundinfektion im Krankenhaus. Dabei wurde festgestellt, dass eine ausgeprägte Minderung des Allgemeinzustands vorlag. Vom 06.05.2020 bis zum 12.06.2020 musste sich die Beklagte einer Strahlentherapie unterziehen. Die Beklagte trägt einen Herzschrittmacher. Im Mai 2018 wurde zudem wegen eines Bronchialkarzinoms ein Lungenflügel entfernt. Ein vorübergehender Umzug in ein Hotel stellt daher eine erhebliche Belastung für die Beklagte dar. Hinzu kommt, dass nach wie vor jederzeit wieder mit einem Anstieg der Infektionen mit Covid-19 gerechnet werden muss, so dass für die Beklagte als Hochrisikopatientin ein erhebliches Gesundheitsrisiko mit einem Hotelaufenthalt verbunden wäre. Im Rahmen der Zumutbarkeit ist außerdem zu berücksichtigen, dass eine Dringlichkeit der Arbeiten vom Kläger nicht vorgetragen wurde. So ist er dem Vortrag der Beklagten, wonach die
Einhaltung der Grenzwerte der Trinkwasserverordnung bereits dann möglich sei, wenn man lediglich die Leitungen im Bereich der übrigen Wohnungen austauschen würde, nicht entgegengetreten.
Eine Duldungspflicht der Beklagten besteht auch nicht deswegen, weil sie wegen der Bleileitungen ihrerseits die Miete mindert. Zwar mag die Beklagte sich aufgrund ihrer Weigerung, die Arbeiten durchführen zu lassen, nicht mehr auf ein
Minderungsrecht berufen können. Dies kann vorliegend jedoch offen bleiben, da die Ausübung des Minderungsrechts in der Vergangenheit jedenfalls nicht dazu führt, dass die Beklagte sich auf die derzeit für sie bestehenden Gesundheitsrisiken und -belastungen nicht berufen könnte.