Der Beteiligte hat mit Schreiben vom 8. Mai 2021 beim Familiengericht darum nachgesucht, ein Verfahren nach
§ 1666 BGB zu eröffnen und gegenüber den Lehrkräften und der Schulleitung der von seiner seinerzeit 9jährigen Tochter besuchten Grundschule anzuordnen, die schulintern getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID19), insbesondere die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, Abstandsgebote und gesundheitliche Testungen, vorläufig auszusetzen.
Das Familiengericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren eingestellt, da es nicht an das Verwaltungsgericht verwiesen werden könne. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde des Beteiligten zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die zugelassenen Rechtsbeschwerden des betroffenen Kindes und des Beteiligten.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG statthaften Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Eröffnet sei allein der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten. Denn der Sache nach greife der Vater Anordnungen der Schulleitung und die zugrunde liegenden Bestimmungen der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021 (BayMBl. Nr. 171) sowie
§ 28 a des Infektionsschutzgesetzes an. Die Streitigkeit betreffe daher das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, hier in Gestalt der Schulverwaltung, und sei somit öffentlichrechtlicher Natur.
Eine spezialgesetzliche Zuweisung zu einem anderen Gericht (§ 40 Abs. 1 Halbsatz 2 VwGO) liege nicht vor. Dem Familiengericht komme auch nach § 1666 Abs. 4 BGB keine Anordnungskompetenz gegenüber Behörden, Regierungen und sonstigen Trägern staatlicher Gewalt zu. Behördliches, hoheitliches Verhalten sei ausschließlich durch die Verwaltungsgerichte zu kontrollieren.
2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand (vgl. auch BGH, 06.10.2021 - Az:
XII ARZ 35/21).
a) Zu Recht hat das Oberlandesgericht den eigenen Rechtsweg gemäß § 17 a Abs. 2 GVG für unzulässig erklärt. Es hat das an das Familiengericht gerichtete Schreiben des Beteiligten vom 8. Mai 2021 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin ausgelegt, dass gegen die Schule gerichtete Unterlassungsverlangen durchgesetzt werden sollen. Über derartige Unterlassungsansprüche hätten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Verwaltungsgerichte zu entscheiden. Sie betreffen das Schulverhältnis als Rechtsverhältnis zwischen dem Schüler und einer öffentlichen, von einer Gebietskörperschaft getragenen Schule, deren Handeln in inneren Schulangelegenheiten einschließlich der Schulordnungsmaßnahmen der öffentlichen Gewalt zugerechnet wird. Davon erfasst werden auch von der Schule angeordnete Infektionsschutzmaßnahmen.
Eine daneben parallel bestehende Regelungskompetenz auf Grundlage des § 1666 BGB ist den Familiengerichten nicht eröffnet. Diese Vorschrift ermöglicht es den Gerichten in erster Linie, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Personensorgeberechtigten zur Einhaltung ihrer Schutzpflichten gegenüber dem Kind anzuhalten; als ultima ratio kommt hierbei die Entziehung der elterlichen Sorge in Betracht (§ 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB). Zwar kann in besonders gelagerten Fällen bei Angelegenheiten der Personensorge auch eine Maßnahme gegen einen Dritten erfolgen (§ 1666 Abs. 4 BGB), wenn von dessen Verhalten eine Gefahr für das Kindeswohl ausgeht. Eine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden ist damit aber nicht verbunden. Denn Dritte im Sinne der Vorschrift sind nicht Behörden und sonstige Träger der öffentlichen Gewalt. Auf Grundlage des § 1666 BGB können die Familiengerichte auch die Jugendämter nicht zur Unterlassung von Maßnahmen der Jugendhilfe wie etwa einer Inobhutnahme verpflichten. Umso weniger sind sie befugt, andere staatliche Stellen in ihrem Tun oder Unterlassen anzuweisen. Dies würde nämlich einen Eingriff in das Gewaltenteilungsprinzip bedeuten, für den es an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehlt. Insbesondere legitimieren die §§ 1666,
1666 a BGB i.V.m. dem staatlichen Wächteramt einen solchen Eingriff nicht. Im Rahmen des schulischen Sonderrechtsverhältnisses sind die zuständigen Behörden ihrerseits an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns auch hinsichtlich Infektionsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen obliegt hierbei allein den Verwaltungsgerichten; insoweit haben auch die §§ 23 b GVG, 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG nicht die Bedeutung einer abdrängenden Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
b) Ebenfalls zu Recht hat das Oberlandesgericht keine Verweisung an das Verwaltungsgericht ausgesprochen.
Zwar ist auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Verweisung auf einen anderen Rechtsweg nicht generell ausgeschlossen. So kam beispielsweise die Verweisung einer beim allgemeinen Zivilgericht anhängig gewordenen Klage an das für Wohnungseigentumssachen zuständige Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Betracht, weil das für Wohnungseigentumssachen als sogenannte echte Streitsache ausgestaltete Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ähnlichen Verfahrensgrundsätzen folgte. Umgekehrt kann ein beim Gericht für Notarsachen (§ 111 BNotO) anhängig gemachtes Verfahren, das als ein streitiges Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzusehen ist, an die Zivilgerichte verwiesen werden. Auch konnte ein Zuständigkeitsstreit zwischen dem für Kindschaftssachen zuständigen Familiengericht und dem für Vormundschaftssachen zuständigen Gericht der allgemeinen freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Verweisung gelöst werden.
Die Vorschrift des § 17 a GVG ist jedoch einschränkend dahin auszulegen, dass eine Verweisung von Amts wegen betriebener Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mangels „Beschreitung eines Rechtswegs“ durch einen Antragsteller oder Kläger nicht in Betracht kommt, sondern diese bei fehlender Zuständigkeit einzustellen sind. Aufgrund der Eingabe des Beteiligten vom 8. Mai 2021 hätte beim Familiengericht kein kontradiktorischen Regeln folgendes Antragsverfahren eröffnet werden können, das einer Verweisung an das Verwaltungsgericht zugänglich gewesen wäre, sondern allenfalls ein Verfahren von Amts wegen. Ein Verfahren von Amts wegen mit dem Ziel der Aufhebung schulischer Anordnungen ist der Verwaltungsgerichtsbarkeit jedoch wesensfremd.