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Coronavirus: Kontaktpersonen in einer Schulklasse können abgesondert werden

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 30 Minuten

1. Auf der Grundlage der aktuellen Risikoeinschätzung des Robert Koch-Instituts zum Coronavirus geht die Kammer davon aus, dass bei Kontaktpersonen der Kategorie I von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Infektion auszugehen ist, so dass sie Ansteckungsverdächtige i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG sind. Gegenüber diesen Personen kann daher regelmäßig eine Absonderung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG erlassen werden.

2. Nach den aktuellen Kriterien des Robert Koch-Instituts sind Personen in relativ beengter Raumsituation oder schwer zu überblickender Kontaktsituation mit einem bestätigten COVID-19-Fall (zum Beispiel Kitagruppe, Schulklasse), unabhängig von der individuellen Risikoermittlung, einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt. Ein mindestens 15-minütiger Gesichts- („face-to-face“) Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall ist insofern für Schulklassen für eine Einordnung in die Kategorie I aktuell mithin nicht erforderlich.

3. Da ein negativer Test während einer möglichen Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen eine Erkrankung nicht ausschließt, ist die Erlassbehörde nicht dazu verpflichtet, die Absonderung aufzuheben oder die Quarantänezeit nach Vorlage eines solches Tests zu verkürzen.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die Absonderungsanordnung ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Kammer anhand des Vortrags der Verfahrensbeteiligten und der von diesen beigebrachten Unterlagen auch materiell rechtmäßig. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen der §§ 28 Abs. 1, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG in Verbindung mit § 16 IfSG erfüllt sind (vgl. unten aa)). Auch bestehen auf Rechtsfolgenseite keine durchgreifenden Bedenken gegen das hier ausgeübte Ermessen (vgl. unten bb)).

aa) Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG hat die zuständige Behörde anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung abgesondert werden. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.

Aus § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG ergibt sich, dass nur Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider einer Quarantänemaßnahme unterzogen werden dürfen. Diese Adressatenkreise sind in § 2 Nr. 4 bis Nr. 7 IfSG legaldefiniert. Danach ist „Kranker“ eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist, „Krankheitsverdächtiger“ eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen, und „Ausscheider“ eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein. „Ansteckungsverdächtiger“ ist schließlich eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Die Aufnahme von Krankheitserregern im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Annahme eines Ansteckungsverdachts nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist. Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme geradezu aufdrängt. Erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil.

Für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr gilt allerdings kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Es ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§§ 1 Abs. 1, 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betreffenden Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt. Das Beispiel zeigt, dass es sachgerecht ist, einen am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierten, flexiblen Maßstab für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.

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