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Unterbringungssache: Anforderungen an die Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens

Betreuungsrecht | Lesezeit: ca. 6 Minuten

Das Verfahren betrifft die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Der heute 45jährige Betroffene leidet an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Für ihn ist eine rechtliche Betreuung mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge und Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern eingerichtet.

Der Beteiligte zu 1 ist zum Betreuer bestellt worden. Auf seinen Antrag hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen dessen geschlossene Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer anderen geschlossenen Einrichtung bis längstens 3. August 2022 genehmigt.

Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht ohne erneute Anhörung des Betroffenen die Dauer auf bis zum 12. Juni 2022 verkürzt und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er nach Ablauf der genehmigten Unterbringungsdauer die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorinstanzlichen Beschlüsse beantragt.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt nach der in der Rechtsbeschwerdeinstanz entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 62 Abs. 1 FamFG zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts.

1. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht die Verfahrensfehlerhaftigkeit der vorinstanzlichen Beschlüsse. Dem Betroffenen ist im Hinblick auf das eingeholte Sachverständigengutachten kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden.

Das im Verfahren eingeholte Gutachten ist dem Betroffenen auf Empfehlung des Sachverständigen nicht ausgehändigt worden. Sieht das Gericht von der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe eines Gutachtens an den - wie hier - anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen ab, weil zu besorgen ist, dass die Bekanntgabe die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden werde, muss ein Verfahrenspfleger bestellt, diesem das Gutachten übergeben werden und die Erwartung gerechtfertigt sein, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht.

Zwar ist das Gutachten der Verfahrenspflegerin vom Amtsgericht übermittelt worden. Es bestand aber keine begründete Erwartung, dass diese das Gutachten mit dem Betroffenen in geeigneter Form bespricht. Die Übersendungsverfügung enthält keine entsprechende Maßgabe für die Verfahrenspflegerin. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Betroffene von dem Inhalt des Gutachtens unterrichtet worden ist, zumal die Anhörung nicht im Beisein der Verfahrenspflegerin erfolgt ist.

Da der Verfahrensmangel im Beschwerdeverfahren nicht geheilt worden ist, erfasst dieser auch das landgerichtliche Verfahren. Zudem hätte das Landgericht den Betroffenen erneut anhören müssen, was - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt - verfahrensfehlerhaft unterblieben ist.

2. Der Betroffene ist durch die Verfahrensmängel in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden.

Die Feststellung, dass ein Betroffener durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten verletzt ist, kann grundsätzlich auch auf einer Verletzung des Verfahrensrechts beruhen. Dabei ist die Feststellung nach § 62 FamFG jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Verfahrensfehler so gravierend ist, dass die Entscheidung den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung hat, der durch Nachholung der Maßnahme rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist.

Wurde in einer - wie hier - erledigten Unterbringungssache das für die Entscheidung maßgebliche Gutachten dem Betroffenen nicht vor der Anhörung bekannt gegeben, ist dieser Verfahrensfehler so gewichtig, dass er die Feststellung nach § 62 FamFG zu rechtfertigen vermag, weil er einer Verwertung des gemäß § 321 Abs. 1 FamFG unabdingbaren Sachverständigengutachtens entgegensteht.

Das nach § 62 Abs. 1 FamFG erforderliche berechtigte Interesse des Betroffenen daran, die Rechtswidrigkeit der - hier durch Zeitablauf erledigten - Unterbringungsmaßnahme feststellen zu lassen, liegt vor. Die gerichtliche Anordnung oder Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme bedeutet stets einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.


BGH, 01.02.2023 - Az: XII ZB 130/22

ECLI:DE:BGH:2023:010223BXIIZB130.22.0

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