Das Gesetz zur Regelung in Familiensachen sowie in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sieht in mehreren Bestimmungen eine Abweichung von der generell vorgeschriebenen persönlichen Anhörung des wichtigsten Beteiligten, des von der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung Betroffenen, vor. Dies geschieht beispielsweise wegen des erheblichen Eilbedürfnisses in §§ 301, 332 FamFG, doch ist diese Situation vorliegend nicht gegeben. Aktuell geht es um den Schutz des Betroffenen selbst, des erkennenden Gerichts, sowie der am Verfahren unmittelbar Beteiligten und der die Anhörung erst ermöglichenden weiteren Personen.
Grundlage aller nachfolgenden Erwägungen ist die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung eingetretene Situation infolge des sich rasant verbreitenden Coronavirus. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat am 30.1.2020 eine „Notlage für die öffentliche Gesundheit von internationaler Tragweite“ konstatiert, am 11.3.2020 die Einstufung einer Pandemie vorgenommen (diese Feststellung sowie alle folgenden weiteren zu den tatsächlichen gesundheitlichen Tatsachen basieren auf den Angaben des Robert-Koch-Institutes, welche auf deren Homepage www.rki.de nachzulesen sind). Das Robert-Koch-Institut hat in der Risikobewertung vom 17.3.2020 die „Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland […] als hoch eingeschätzt“.
Das Absehen von der persönlichen Anhörung des Betroffenen beschneidet ihn zwar massiv in seinem Recht auf rechtliches Gehör, welches in Art. 103 GG mit verfassungsrechtlichem Rang versehen ist. Er schützt ihn aber zugleich, denn es ist zurzeit von einer Letalität bei der Infektion von rund 1 % auszugehen, wobei dies eine konservative Schätzung ist. Dabei ist zu beachten, dass die in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren regelmäßig Betroffenen zu einem ganz hohen Anteil zu den vom Robert-Koch-Institut benannten Risikogruppen gehören, weil sie entweder hohen Alters sind oder aber eine relevante internistische Vorerkrankung aufweisen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für das Gericht unter Abwägung der ganz erheblichen rechtlichen Nachteile durch den Entfall des rechtlichen Gehörs gegenüber den Vorteilen durch das Unterbleiben einer mit erheblicher Todesgefahr verbundenen Infektion ein Überwiegen des Ausschlusses der Ansteckung. Dies deshalb, weil im Vergleich mit den üblicherweise im medizinischen Bereich anzutreffenden Wahrscheinlichkeiten die Letalitätsrate signifikant hoch ist. Auch geht es nicht um reversible Schäden, sondern um den Tod des betroffenen Menschen.
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