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Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht

Ausländerrecht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Das Chancenaufenthaltsrecht soll Ausländern, die langjährig ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland gefunden haben, eine aufenthaltsrechtliche Perspektive eröffnen und betroffenen Ausländern gerade erst die Chance eröffnen, innerhalb von 18 Monaten die notwendigen Integrationsvoraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt zu erfüllen.

Hierzu führte das Gericht aus:

Bei der Anspruchsgrundlage des § 104c AufenthG handelt es sich um eine Soll-Vorschrift. Bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen ist in der Regel der Aufenthaltstitel zu erteilen. Nur im Einzelfall bei Vorliegen einer Ausnahmekonstellation kann eine Abweichung von dieser Regelfolge gerechtfertigt sein (s. auch BT-Drs. 20/3717, S. 44).

In der Norm sind ausdrücklich keine derartigen Ausnahmekonstellationen genannt. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt. In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, Ausnahmen von der Regelfolge seien nur „bei Vorliegen atypischer Umstände denkbar“; konkrete Beispiele werden nicht genannt (s. BT-Drs. 20/3717, S. 44 ff.).

Der gesetzgeberischen Intention und der systematischen Stellung des § 104c AufenthG im Aufenthaltsrecht lassen sich jedoch Wertungen entnehmen, welcher Art diese Ausnahmekonstellationen sein müssen.

§ 104c AufenthG soll Ausländern, die langjährig ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland gefunden haben, eine aufenthaltsrechtliche Perspektive eröffnen. Die Vorschrift setzt keine gelungene Integration des Ausländers voraus, sondern soll betroffenen Ausländern gerade erst die Chance eröffnen, innerhalb von 18 Monaten (so die Geltungszeit nach § 104c Abs. 3 Satz 2 AufenthG) die notwendigen Integrationsvoraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt zu erfüllen (s. BT-Drs. 20/3717 S. 1 f., 44 f.). Die Vorschrift ist als Vorstufe für die Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG und § 25b AufenthG konzipiert (BT-Drs. 20/3717 S. 44 f.).

Aus den geringen Anforderungen des § 104c AufenthG und dem Fehlen von Integrationsvoraussetzungen, aber auch aus dem erklärten gesetzgeberischen Ziel, die Chance des § 104c AufenthG möglichst vielen langjährig geduldeten Personen zu eröffnen (vgl. BT-Drs. 20/3717 S. 1), folgt, dass die Hürden für die Annahme eines atypischen Falles hoch liegen.

Aus der legislativen Intention lässt sich ableiten, dass ein atypischer Fall gegeben sein kann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung des § 104c AufenthG feststeht, dass die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Anschluss nicht in Betracht kommt. Aus dem Zusammenspiel mit § 25a und § 25b AufenthG ergibt sich, dass die Chance des § 104c AufenthG versagt werden kann, wenn bereits aktuell mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Ausländer nach Ablauf von 18 Monaten die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach § 25a und § 25b AufenthG nicht erfüllen wird. Zumindest wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass der Ausländer innerhalb von 18 Monaten einen Versagungsgrund nach § 25a Abs. 3 AufenthG oder § 25b Abs. 2 AufenthG verwirklichen wird, der von Gesetzes wegen zu einer zwingenden Versagung der Erteilung dieser Aufenthaltstitel führt, kann eine Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG in Betracht kommen.

Schließlich lässt die intraregulative Systematik des § 104c AufenthG gewisse Schlüsse zu, wann die Erteilung des Chancen-Aufenthaltsrechts nicht in Betracht kommt. Mit den in § 104c AufenthG normierten Versagungsgründen hat der Gesetzgeber gewisse Schwellen bestimmt, bei deren Überschreiten nach seiner Wertung die Chance des § 104c AufenthG versagt werden soll. Daraus lässt sich ableiten, dass ein Fehlverhalten, das einem Ausländer die Chance des § 104c AufenthG versperrt, diesen tatbestandlichen Versagungsgründen vergleichbar sein muss. Es muss sich damit um ein Fehlverhalten handeln, das an den Unwert einer strafrechtlichen Verurteilung nach § 104c Abs. 1 Nr. 2 AufenthG oder einer erheblichen Verletzung von Mitwirkungspflichten nach § 104c Abs. 1 Satz 2 AufenthG heranreicht. So kann etwa, wenn vom Ausländer eine besondere Gefährlichkeit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, die strafrechtlich, etwa wegen § 20 StGB, nicht oder nur mit einer geringen Strafe sanktioniert wurde, ein atypischer Fall vorliegen. In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG versagt werden kann bei zurückliegenden Verstößen gegen Mitwirkungshandlungen, die sich zwar nicht aktuell kausal auf den Duldungsstatus des Ausländers auswirken, aber in der Vergangenheit die Abschiebung eines Ausländers verhindert haben.

Umgekehrt lässt sich den typisierten Versagungsgründen in § 104c AufenthG entnehmen, dass Fehlverhalten unterhalb der Schwelle einer strafrechtlichen Verurteilung im Sinne des § 104c Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der Regel eine Versagung der Erteilung des Aufenthaltstitels nicht zu rechtfertigen vermag. Auch unkooperatives Verhalten, das nicht einem erheblichen Verstoß gegen Mitwirkungspflichten nach § 104c Abs. 1 Satz 2 AufenthG vergleichbar ist, stellt typischerweise keinen Ausnahmefall dar.


VG Augsburg, 26.03.2024 - Az: Au 1 K 23.1891

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