Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Feststellung subsidiären Schutzes offensichtlich nicht vorliegen, § 30 Abs. 1 AsylG. Die Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet setzt voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an der Richtigkeit der Entscheidung vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Gericht geradezu aufdrängt.
Diese Offensichtlichkeitsfeststellung kann vorliegend bereits in Bezug auf die Frage, ob bei der vorliegenden Konstellation – das Bundesamt hat eine Verletzung von Art. 3 EMRK festgestellt – die bereits erfolgte Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland das Bundesamt daran hindert, den bei ihm gestellten Asylantrag auf internationalen Schutz ergebnisoffen zu prüfen oder das Bundesamt verpflichtet ist, ohne Untersuchung der materiellen Voraussetzungen dieses Schutzes den Antragstellern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Diese Rechtsfrage hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. September 2022 (Az: 1 C 26/21) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nach der Vorlagefrage hat der Europäische Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob in einem Fall, in dem ein Mitgliedsstaat von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU eingeräumten Befugnis, einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedsstaat als unzulässig abzulehnen, keinen Gebrauch machen darf, weil die Lebensverhältnisse in diesem Mitgliedsstaat den Antragsteller der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh aussetzen würden, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 604/2013, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 RL 2011/95/EU sowie Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a RL 2013/32/EU dahin auszulegen sind, dass die bereits erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft den Mitgliedsstaat daran hindert, den bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz ergebnisoffen zu prüfen und ihn dazu verpflichtet, ohne Untersuchung der materiellen Voraussetzungen dieses Schutzes dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die in dem Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gestellte Frage ist auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich, selbst wenn sich die Vorlagefrage des Bundesverwaltungsgerichts lediglich auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bezog. Die Regelung in Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a RL 2013/32/EU knüpft lediglich auf die Gewährung internationalen Schutzes an. Dieser umfasst nach den Begriffsbestimmungen in Art. 2 Buchst. a) der RL 2011/95/EU sowie in Art. 2 Buchst. i) der RL 2013/32/EU sowohl die Flüchtlingseigenschaft als auch den subsidiären Schutzstatus, so dass hinsichtlich der Vorlagefrage zwischen beiden Begriffen nicht differenziert werden kann.
Zwar wurde für den Antragsteller nicht durch eine rechtskräftige Entscheidung eines Verwaltungsgerichts festgestellt, dass ihm in Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GRCh droht. Das Bundesamt geht aber in seinem Vermerk vom 9. August 2023 bzw. in den zitierten Gründen des Bescheides selbst davon aus, dass die vorliegenden Erkenntnisse im Falle des Antragstellers keine andere Einschätzung zulassen, als dass diesem angesichts der zu erwartenden Lebensverhältnisse in Griechenland der Eintritt einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GRCh mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Solange die Frage der Bindungswirkung der Zuerkennung Internationalen Schutzes durch einen Mitgliedsstaat für das Bundesamt rechtlich nicht eindeutig geklärt ist, liegen die Voraussetzungen für eine Abweisung des Asylantrags des Antragstellers als offensichtlich unbegründet nicht vor und ist bereits deshalb die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung in den Irak anzuordnen.