Ein – nicht nach ICD 10 oder DSM V codierbarer – affektiver Ausnahmezustand stellt jedenfalls dann einen Gesundheitserstschaden i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB VII dar, wenn es zu einem als regelwidrig anzusehenden überschießenden affektiven Durchbruch im Sinne einer Kurzschlussreaktion kommt, die zu einer Körperschädigung führt. Auf die zugrunde liegende Motivationslage kommt es dabei nicht an.
Ausgehend davon kann ein Sprung eines Schülers aus dem Fenster nach einem Lehrer-Schüler-Gespräch einen versicherten
Arbeitsunfall darstellen, wenn dieses sich so von einem üblichen Gespräch abhebt, dass es wesentliche, nicht nur Gelegenheitsursache der Kurzschlussreaktion war
Hierzu führte das Gericht aus:
Zur Überzeugung des Senats ist aber gesichert, dass der Kläger nach dem Gespräch in einen affektiven Ausnahmezustand mit Kurzschlussreaktion, also einem affektiven Durchbruch, gekommen ist.
Affektive Durchbrüche sind „kurz dauernde, meist aus einer Konflikt- oder Belastungssituation entstehende seelische Ausnahmezustände“. Sie können Symptom einer zugrunde liegenden psychischen Erkrankung (z.B. schizophrener oder manischer Psychosen, hirnorganischer Erkrankungen, zerebralorganischer Anfallsleiden, emotional instabiler Persönlichkeitsstörung) oder einer akuten Belastungsreaktion sein, sie können aber auch bei psychisch gesunden Menschen auftreten. „Der äußere Tatablauf wird beschrieben als plötzlicher explosionsartiger Durchbruch destruktiven Handelns ohne Hinweis auf eine Vorkonstituierung der Handlung…“. „Ein solcher Tatablauf entspricht dem Modell der Explosivreaktion, während es bei Kurzschlussreaktionen aus der Tatsituation heraus, mitunter verknüpft mit aufsteigenden Angst- und Panikgefühlen, aber auch solchen der Wut oder Rache, zu einem zeitlich etwas längeren Anstieg des Aggressionspotenzials kommt, in dessen Rahmen dem Täter sukzessive die Kontrolle entgleitet“.
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