Ein Verdienstausfall ist zu verneinen, wenn dem
Arbeitnehmer für den maßgeblichen Zeitraum ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf Fortzahlung seines Lohnes gegen den
Arbeitgeber zugestanden hat, obwohl der Arbeitnehmer nicht in der Lage gewesen ist, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Das Nichtbestehen anderweitiger Ansprüche ist negatives Tatbestandsmerkmal für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG. Bei § 56 IfSG handelt es sich nach der gesetzlichen Konzeption um eine subsidiäre Entschädigungsregelung. Neben dem Wortlaut spricht auch der Sinn und Zweck der Vorschrift für diese Auslegung. Denn § 56 IfSG soll vor materieller Not schützen, wenn allgemeine Fortzahlungspflichten nicht greifen. Eine Entlastung des Arbeitgebers wird von der Norm nicht bezweckt. Ein Anspruch nach § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 IfSG erfordert damit einen Verdienstausfall, der nicht eintritt, soweit eine Entgeltersatzleistung gewährt wird bzw. ein Anspruch auf eine solche besteht bzw. bestanden hat. Dies zugrunde gelegt besteht ein Entschädigungsanspruch nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer
arbeitsunfähig erkrankt ist und im maßgeblichen Zeitraum über
§ 3 EntgFG einen Anspruch auf Lohnfortzahlung besitzt.
Arbeitsunfähigkeit liegt nicht nur dann vor, wenn der betroffene Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, sondern auch, wenn aus rechtlichen Gründen wegen einer Erkrankung ein Beschäftigungsverbot für den betroffenen Arbeitnehmer besteht. Die behördliche Anordnung einer Isolation bzw. häuslichen Quarantäne begründet ein Beschäftigungsverbot und hat die (rechtliche) Arbeitsunfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers zur Folge, unabhängig davon, ob die Erkrankung symptomlos verläuft oder mit Krankheitssymptomen verbunden ist. Die behördlich angeordnete Absonderung (Isolation) führt dazu, dass dem Arbeitnehmer die Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung wegen seiner Erkrankung mit dem Virus SARS-CoV-2 objektiv unmöglich wird, zumal eine Zuwiderhandlung gegen eine behördlich angeordnete Absonderung nach § 73 Abs. 1a:Nr. 6 IfSG zumindest bußgeldbewehrt ist (vgl. zum Ganzen BAG, 20.03.2024 - Az:
5 AZR 234/23; LAG Schleswig-Holstein, 06.07.2023 - Az:
4 Sa 39 öD/23). Die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit in Fällen der behördlichen Isolationsanordnung und einer symptomlos verlaufenden SARS-CoV-2-Infektion erschien auch aus Gründen des Schutzes der übrigen beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer sachlich geboten, da auch bei symptomlosem Verlauf einer Corona-Infektion der Betroffene Träger einer Viruslast ist, welche auch bei symptomlosem Verlauf ein Erkrankungsrisiko für Dritte darstellen kann. Aus diesem Grund dient die abstrakte Annahme der (rechtlichen) Arbeitsunfähigkeit auch dem Schutz des betroffenen Arbeitgebers und seiner weiteren Arbeitnehmer.
Selbst wenn der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG einer in zulässigerweise (individual- oder tarifvertraglich) vereinbarten Ausschluss- bzw. Verfallsfrist unterfallen würde, so führt dies nicht dazu, (nachträglich) einen Verdienstausfall nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG anzunehmen. Denn – obigen Maßstäben entsprechend – reicht aus, dass der Anspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG einmal bestanden hat (sic!). Da eine in den Grenzen des § 12 EntgFG zulässigerweise vereinbarte Ausschluss- bzw. Verfallsfrist jedoch keine Regelung zum Inhalt des Anspruchs trifft, sondern zu dessen Geltendmachung und zeitlicher Begrenzung, bestand der Anspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG somit zu einem Zeitpunkt. Diese Bewertung steht auch nicht in Widerspruch zur Wirkung des Ausschlusses des Anspruchs nach § 616 BGB. Denn letzterer kann – im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 EntgFG – in zulässigerweise von vornherein arbeitsvertraglich ausgeschlossen werden, was sich auch auf das Merkmal des Verdienstausfalls nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG auswirkt.