Verkehrsunfall? Mit einer ➠ Unfallregulierung Ansprüche unkompliziert geltend machen!Ein
Anscheinsbeweis, der beim Auffahrunfall für einen schuldhaften Verstoß des Hintermanns gegen
§ 4 Abs. 1 Satz 1,
§ 3 Abs. 1 Satz 4 oder
§ 1 Abs. 2 StVO spricht, kann auch dann eingreifen, wenn ein Motorradfahrer hinter einem stark abbremsenden Pkw ohne Berührung der Fahrzeuge stürzt und es nur durch Zufall nicht zu einer Kollision mit dem Vorausfahrenden kommt.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens nach einem
Verkehrsunfall verpflichtet sind.
Der Kläger befuhr mit seinem Motorrad die B. Straße in Richtung H. Vor ihm fuhr ein Pkw, hinter ihm ein weiteres Motorrad. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit betrug 70 km/h. Die Beklagte zu 1 fuhr mit ihrem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw auf der B. Straße in die Gegenrichtung. Ihre Fahrbahn war in einer leichten Rechtskurve durch ein Müllabfuhrfahrzeug blockiert, das gerade beladen wurde. Um an diesem Fahrzeug vorbeizufahren, wechselte die Beklagte zu 1 auf die Gegenfahrbahn. Der ihr dort entgegenkommende Pkw bremste stark ab, um eine Kollision mit der Beklagten zu 1 zu vermeiden. Auch der hinter diesem Pkw fahrende Kläger machte eine Vollbremsung. Sein Motorrad, das nicht über ein Anti-Blockier-System (ABS) verfügte, geriet dabei ins Rutschen. Der Kläger stürzte und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Zu einer Kollision des Motorrads mit dem vorausfahrenden Pkw kam es nicht. Der hinter dem Kläger fahrende Motorradfahrer konnte abbremsen, ohne zu stürzen.
Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtlichen vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfall auf der Grundlage einer 100 %-igen Haftungsquote zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Dritte übergegangen ist oder noch übergeht. Das Landgericht hat Zeugen zum Unfallhergang vernommen, den Kläger und die Beklagte zu 1 angehört, ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht ohne eigene Beweisaufnahme das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die begehrte Feststellung auf der Grundlage einer Haftungsquote von 40 % zulasten der Beklagten getroffen. Die weitergehende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagten begehren mit ihrer Anschlussrevision die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die zulässige Feststellungsklage sei teilweise begründet. Die Beklagten hafteten dem Kläger aus dem Verkehrsunfall gemäß
§ 7 Abs. 1,
§ 18 Abs. 1,
§ 17 Abs. 1 und 2 StVG, § 115 Abs. 1 VVG als Gesamtschuldner auf der Grundlage einer Haftungsquote von 40 %. Obwohl der Kläger berührungslos gestürzt sei, bestehe der notwendige Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb des Kraftfahrzeugs der Beklagten, den Verletzungen des Klägers und den Beschädigungen an seinem Motorrad. Hätte die Beklagte zu 1 das auf ihrer Spur haltende Müllabfuhrfahrzeug nicht unter Verstoß gegen
§ 6 Satz 1 StVO auf der Fahrbahn des Klägers umfahren, hätte es keiner Vollbremsung des Gegenverkehrs bedurft.
Der Verkehrsunfall sei weder für den Kläger noch für die Beklagte zu 1 unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG gewesen. Die Beklagte zu 1 habe die Sorgfaltsanforderungen des § 6 Satz 1 StVO nicht beachtet. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme sei die Beklagte zu 1 am Müllabfuhrfahrzeug vorbei auf die Gegenfahrbahn gefahren, obwohl eine Anhöhe, eine leichte Rechtskurve und ein vor ihr fahrendes Fahrzeug ihre Sicht auf den Gegenverkehr eingeschränkt hätten. Aus den erstinstanzlichen Zeugenaussagen ergebe sich, dass der Gegenverkehr bereits wahrnehmbar gewesen sei, als die Beklagte zu 1 in die Gegenfahrbahn eingefahren sei. Die Beklagte zu 1 habe vor dem Einfahren keinerlei eigene Überprüfungen geschildert.
Zu Lasten des Klägers streite ein nicht erschütterter Anscheinsbeweis. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises bei Auffahrunfällen gälten auch für den vorliegenden Fall, in dem es wegen des Sturzes des Hintermannes (des Klägers) nicht mehr zu einer Kollision mit dem vor ihm fahrenden Fahrzeug gekommen sei. Eine Bremsung mit anschließendem Sturz in unmittelbarem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Abbremsen des vor ihm fahrenden Fahrzeugs lasse mangels anderweitiger in Betracht kommender Erklärungen allein und damit typischerweise eine fehlerhafte Reaktionshandlung auf ein als Verkehrshindernis wahrgenommenes Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers zu. Gelinge es einem Verkehrsteilnehmer nicht, rechtzeitig zu reagieren und gelinge es nur durch einen Sturz, eine Kollision mit dem Vorausfahrenden zu vermeiden, spreche die Lebenserfahrung wie beim Auffahrunfall dafür, dass Ursache des Sturzes das eigene Fehlverhalten infolge zu geringen Abstands oder verspäteter Reaktion sei. Es sei von einem Anscheinsbeweis zulasten des Klägers auszugehen, dass er entweder gegen das Sichtfahrgebot nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO verstoßen habe, den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO gebotenen Sicherheitsabstand nicht eingehalten habe, den Erstunfall infolge eigener Unaufmerksamkeit zu spät bemerkt habe (§ 1 Abs. 2 StVO) oder mangels Beherrschung seines Motorrades stärker abgebremst habe, als es zur sicheren Vermeidung einer Kollision notwendig gewesen wäre. Der Sachverständige habe ausgeführt, der Kläger habe die Vorder- und Hinterradbremse derart betätigt, dass beide Bremsen am Motorrad blockiert hätten. Dies sei als „Schreck- oder Panikbremsung“ einzustufen. Der Sturz wäre bei dem Motorrad des Klägers, das nicht über ein ABS verfüge, durch eine kontrollierte Betätigung der Vorderradbremse vermeidbar gewesen. Ein Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit am Unfallort sei hingegen nicht festzustellen. Bei der nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG gebotenen Abwägung sei zu berücksichtigten, dass die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs durch den Ausschervorgang erhöht gewesen sei. Allerdings trage der Kläger einen deutlich höheren Verantwortungsteil als die Beklagte zu 1, weil erst sein sorgfaltswidriges Verhalten zu seinem Sturz geführt habe.
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