Ist Ihr Bußgeldbescheid anfechtbar? ➠ Jetzt überprüfen!§ 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung regelt die Anforderungen an die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht hinreichend bestimmt und kann daher als Rechtsgrundlage für behördliche Untersagungen nicht herangezogen werden (Anschluss an VGH Bayern, 17.04.2023 - Az:
11 BV 22.1234).
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Rechtsgrundlage für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr des § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV verletzt das aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG abgeleitete Bestimmtheitsgebot.
1. Nach dem allgemeinen, im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gründenden Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze ist der Gesetzgeber gehalten, Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm dienen ferner dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen sowie die Gerichte in die Lage zu versetzen, die Verwaltung anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren. Dies setzt voraus, dass hinreichend klare Maßstäbe bereitgestellt werden. Die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers darf nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung oder gar Privater gestellt sein. Dabei sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm rechtfertigen soll. Für die näheren Anforderungen kann, nicht zuletzt in der Frage, inwieweit Maßgaben, die sich aus dem Grundgesetz ableiten lassen, ausdrücklicher und konkretisierender Festlegung im einfachen Gesetz bedürfen, auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung sein.
Grundsätzlich fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist. Das Bestimmtheitsgebot schließt die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln sowie Verweisungen nicht aus. Der Gesetzgeber muss in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden. Gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bestehen deshalb keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt. Die Rechtsprechung ist zudem gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen. Verweisungen müssen begrenzt bleiben und dürfen nicht durch die Inbezugnahme von Vorschriften, die andersartige Spannungslagen bewältigen, ihre Klarheit verlieren. In der Praxis darf es hierdurch nicht zu übermäßigen Schwierigkeiten bei der Anwendung kommen.
Dabei lässt sich der Grad der für eine Norm jeweils erforderlichen Bestimmtheit nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Tatbestands einschließlich der Umstände ab, die zur gesetzlichen Regelung geführt haben, sowie von der Intensität der Auswirkungen der Regelung für den Betroffenen bzw. der Art und Schwere des möglichen Eingriffs. Je bedeutsamer die Norm ist, insbesondere je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht, und je eindeutiger, abgrenzbarer und vorhersehbarer der Regelungsgegenstand ist, desto höher ist das Maß der gebotenen inhaltlichen Bestimmtheit der Norm.
Nicht hinnehmbar ist es, wenn es letztlich der Verwaltung obliegt, die Voraussetzungen und Grenzen eines Grundrechtseingriffs selbst zu bestimmen; wenn sie ohne nähere gesetzliche Vorgaben über die Grenzen der Freiheit des Bürgers entscheidet und sich die Maßstäbe dafür selbst zurechtlegen muss. Die Schaffung eingriffsbeschränkender Maßstäbe ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers. Es ist insoweit in rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich, im Wesentlichen darauf zu vertrauen, dass eine unbestimmte Eingriffsermächtigung durch Auslegung seitens der Behörde, deren Verhalten gerade beschränkt werden soll, in gebotener Weise eingeengt wird.
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