Kommt es in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Abbiegen zu einem
Zusammenstoß zwischen dem Abbiegenden und dem entgegenkommenden Verkehr, spricht grundsätzlich bereits der
Beweis des ersten Anscheins für einen schuldhaften Verstoß des Abbiegers gegen
§ 9 Abs. 3 Satz 1 StVO.
Der gegen den Linksabbieger sprechende Anscheinsbeweis kann erschüttert sein, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass der Vorfahrtsberechtigte bei Beginn des Abbiegemanövers für den Wartepflichtigen noch nicht sichtbar gewesen ist oder zumindest so weit entfernt gewesen wäre, dass der Abbiegende eine Gefährdung als ausgeschlossen erachten durfte. Dies kann grundsätzlich der Fall sein, wenn der Vorfahrtsberechtigte sich mit überhöhter Geschwindigkeit nähert oder wenn er einen Vorausfahrenden, der wiederum links abbiegt, ohne angemessenen Seitenabstand, unter Verlassen der Fahrbahn oder bei unklarer Verkehrslage rechts überholt.
Nicht zu einer Erschütterung des Anscheinsbeweises führt der Fall, dass der Linksabbieger lediglich wegen vorhandener Sichthindernisse den Gegenverkehr nicht überblicken kann. Ausgehend davon, dass jeder Linksabbieger sich vor Einleitung des Abbiegevorgangs vergewissern muss, dass er den Abbiegevorgang so rechtzeitig und vollständig abschließen kann, dass er keine Gefahr für den (gesamten) Gegenverkehr darstellt, trifft den Abbieger, dem die Sicht auf den entgegenkommenden Verkehr ganz oder teilweise genommen ist, vielmehr eine gesteigerte Sorgfalts- und ggf. Wartepflicht.