Diesel-Fahrzeug? Möglicherweise können Sie ➠ Schadensersatzansprüche geltend machen!Das Interesse des Käufers, nicht wegen eines Verstoßes gegen das europäische Abgasrecht eine Vermögenseinbuße zu erleiden, ist geschützt.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger nimmt die Beklagte hinsichtlich eines von ihm im März 2013 als
Gebrauchtwagen erworbenen und von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs Audi A6 Avant S-line 3.0 TDI (180 kw) in Anspruch. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger durch ein Darlehen der Audi Bank. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 897 oder EA 896 Gen. 2 (Euro 5) ausgestattet. Die Abgasrückführung erfolgt unter anderem temperaturgesteuert mittels eines sogenannten Thermofensters. Ob das Fahrzeug von einem Rückrufbescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen ist, ist streitig.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag für das Fahrzeug nicht abgeschlossen. Mit der Klage hat er die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 57.300 € nebst Delikts- und Verzugszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 8.337,68 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, insoweit hilfsweise die Rückabwicklung des Kaufvertrags unter Freistellung von den Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag mit der Audi Bank, weiter die Feststellung, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befinde sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:
Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung lägen nicht vor. Es könne offenbleiben, ob es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Denn das allein begründe eine Haftung nach § 826 BGB nicht. Anders als die „Umschaltlogik“ unterscheide die hier eingesetzte temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befinde. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses in Bezug auf das Thermofenster in dem Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung gehandelt habe, habe der Kläger weder dargetan noch seien sie sonst ersichtlich. Auch in Bezug auf sonstige unzulässige Abschalteinrichtungen sei die Berufung erfolglos, weil der Kläger dazu keinen schlüssigen und erheblichen Sachvortrag gehalten habe. Zwar dürfe eine Partei eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände verlangen, über die sie kein zuverlässiges Wissen besitze und auch nicht erlangen könne. Eine Behauptung sei aber dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden sei. So liege es hier:
Nicht zu beanstanden sei die landgerichtliche Feststellung, das Klägerfahrzeug sei nicht von einem Rückruf des KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Dies ergebe sich aus der vom KBA veröffentlichten, allgemein zugänglichen Übersicht zu Rückrufen. Der Klägervortrag zu einem Rückruf Nr. 7130 vom 2. Dezember 2019 betreffend Fahrzeuge des Typs Audi A6, A7 und A8 wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Lenkwinkelerkennung, welche die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unzulässig reduziere, sei überholt. Ausweichlich der Rückrufdatenbank des KBA sei der Rückrufgrund dahin berichtigt worden, dass es um eine Konformitätsabweichung der Antriebssteuerungssoftware gehe, und der Rückruf sei auf Fahrzeuge des Typs Audi A7 und A8 beschränkt worden. Der erstmals in der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss gehaltene Vortrag zu einem „Warmlaufprogramm“, das mittels Lenkwinkelerkennung nur auf dem Prüfstand initiiert werde, sei verspätet. Der Vortrag sei jedenfalls unerheblich, da sich aus ihm kein Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ergebe. Der bloße Umstand, dass das Fahrzeug aufgrund bestimmter Parameter den Prüfstandslauf erkennen könne, genüge nicht zur Annahme einer unzulässigen Abschalteinrichtung zur prüfstandsbezogenen Manipulation der Stickoxidemissionen. Die Prüfstandserkennung sei vielmehr erforderlich, um technische Einrichtungen wie etwa das ESP zur Vermeidung von Sicherheitsrisiken oder Messverfälschungen zu deaktivieren. Unzulässig und objektiv sittenwidrig seien solche Einrichtungen nur, wenn damit gezielt Emissionen in grenzwertrelevanter Weise zur Erschleichung der Typgenehmigung auf dem Prüfstand manipuliert würden. Dies behaupte der Kläger zwar, die vorgelegten Unterlagen bestätigten dies jedoch gerade nicht. Aus ihnen ergebe sich vielmehr, dass die NOx-Grenzwerte eingehalten oder zumeist eingehalten würden. Dies trage den Vorwurf des objektiv sittenwidrigen Verhaltens im Sinne des § 826 BGB nicht. Darüber hinaus habe das KBA diese Getriebesteuerung gerade nicht als unzulässige Abschalteinrichtung, sondern als bloße Konformitätsabweichung eingestuft. Der Vortrag zu einem Ergänzungsgutachten in einem Verfahren vor dem Landgericht Bielefeld sei ebenfalls nicht nur verspätet, sondern ebenso unerheblich. Ohne greifbare Anhaltspunkte für das Bestehen einer unzulässigen Abschalteinrichtung stelle sich die Vorsatzproblematik nicht. Eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheide mangels drittschützenden Charakters der Normen aus.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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