Diesel-Fahrzeug? Möglicherweise können Sie ➠ Schadensersatzansprüche geltend machen!Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet ein Gericht dazu, den gesamten Vortrag einer Prozesspartei zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er begründet aber keine Pflicht des Gerichts, bei der Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage der Auffassung eines Beteiligten zu folgen oder alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen einer Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden.
Wie der Senat im Hinweisbeschluss vom 12.12.2022 ausgeführt hat, erlaubt das Betroffensein von einem Rückruf wegen der Ausstattung eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung bereits per se nicht den Rückschluss auf eine besondere Verwerflichkeit der für den Automobilhersteller handelnden Personen.
Das wirtschaftliche Selbstbestimmungsinteresse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im sachlichen Aufgabenbereich der Vorschriften des Typgenehmigungsrechts bzw. des deutschen Umsetzungsrechts.
Dass diese Auffassung im Einklang mit den Vorschriften des Europarechts steht, ist der jüngst ergangenen Entscheidung des EuGH vom 21.03.2023 - Az:
C-100/21 zu entnehmen.
Zwar hat der EuGH in seinem Urteil anerkannt, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs schützen und damit ein Anspruch des Käufers einhergeht, dass das Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist. Er hat indes nicht festgestellt, dass bereits die Nichterfüllung dieses Anspruchs bei richtlinien- und/oder verordnungsgetreuer Auslegung automatisch einen Schaden darstellt/darstellen muss. Vielmehr hat der EuGH nur deutlich gemacht, dass die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz durch den Hersteller dieses Fahrzeugs – hier also nach § 823 Abs. 2 BGB – hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist. Entsprechend hat er auch ausgeführt, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung u.a. eine Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit hervorrufen kann, das Fahrzeug anzumelden, zu verkaufen oder in Betrieb zu nehmen, und letztlich beim Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs zu einem Schaden führen kann.
Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 12.12.2022 ausgeführt, macht der Kläger indes allein sein wirtschaftliche Selbstbestimmungsinteresse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden. Schäden im Zusammenhang mit einer verzögerten Fahrzeugzulassung oder einer konkret drohenden Betriebsuntersagung (vgl. BGH, 25.05.2020 - Az:
VI ZR 252/19) stehen indes nicht im Raum, ebenso wenig solche im Zusammenhang mit einem etwaigen (Weiter-)Verkauf des Fahrzeugs. Insoweit war auch zu sehen, dass das Kraftfahrbundesamt für das inmitten stehende Fahrzeug keine Regelungen zur Typgenehmigung – etwa in Form von Nebenbestimmungen – wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen hat, die Einfluss auf die Nutzbarkeit des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenraum gehabt hätten.