Wir lösen Ihr Rechtsproblem! Stellen Sie uns jetzt Ihre Fragen.Bewertung: - bereits 393.298 Anfragen

Herausgabe eines abgeschleppten Fahrzeugs nur gegen Zahlung der Abschleppkosten?

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt ein Abschleppunternehmer, der von der Polizeibehörde durch privatrechtlichen Vertrag mit dem Abschleppen eines Fahrzeugs beauftragt wird, bei der Durchführung der polizeilich angeordneten Abschleppmaßnahme in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes. Seine Stellung ist derjenigen eines Verwaltungshelfers angenähert. Er wird ohne eigene Entscheidungsmacht als verlängerter Arm der Verwaltungsbehörden tätig. Der Abschleppvorgang stellt sich materiellrechtlich als polizeiliche Vollstreckungsmaßnahme dar.

Die polizeiliche Maßnahme war im Streitfall auf die öffentlichrechtliche Vorschrift des § 43 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) gestützt. Danach kann die Polizei oder ein von ihr beauftragter Dritter eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Auf diese Bestimmung hat die Polizei ausweislich des von der Beklagten vorgelegten polizeilichen Merkblatts, in dem auch die Höhe des Kostenbetrags ausgewiesen ist, das Abschleppen des Fahrzeugs des Klägers gestützt. Die Verantwortlichkeit für ein als Amtspflichtverletzung zu beurteilendes Fehlverhalten der Beklagten bei dem Abschleppvorgang trifft allein die öffentlichrechtliche Körperschaft, die die Beklagte beauftragt hat (Art. 34 Satz 1 GG i.V. mit § 839 BGB). Daneben haftet der Abschleppunternehmer nicht, soweit nicht seine hier nicht interessierende Halterhaftung nach § 7 StVG in Rede steht. Entsprechendes gilt für eine Inanspruchnahme der Beklagten auf Unterlassung der mit dem Abschleppvorgang zusammenhängenden Handlungen, die die Beklagte ausschließlich auf Anweisung der Polizei vornimmt. Der Unternehmer handelt hier nur als verlängerter Arm der Verwaltungsbehörde ohne eigene Entschließungsfreiheit.

Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auch die Geltendmachung der Kostenansprüche der Polizeibehörden aus dem Abschleppvorgang durch die Beklagte dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen ist, der dem Wettbewerbsrecht nicht unterliegt. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW sind sichergestellte Sachen in Verwahrung zu nehmen; die Verwahrung kann, etwa wenn sie bei der Polizeibehörde unzweckmäßig erscheint, Dritten übertragen werden (§ 44 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 PolG NRW). Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 3 PolG NRW kann die Herausgabe der Sache von der Zahlung der Kosten abhängig gemacht werden. Die Verwahrung des abgestellten Kraftfahrzeugs und seine Herausgabe vollziehen sich ausschließlich nach öffentlichrechtlichen Vorschriften. Der Polizeibehörde steht kraft öffentlichen Rechts die Befugnis zu, wegen des auch ohne Leistungsbescheid fälligen Kostenerstattungsanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben. Dem öffentlichrechtlichen Bereich zuzuordnen ist dementsprechend die in § 46 Abs. 3 Satz 3 PolG NRW vorgesehene Ermächtigung, die Herausgabe der Sache von der Zahlung der Kosten abhängig zu machen.

Nichts anderes gilt im Übrigen, wenn der Abschleppvorgang, nicht wie im Streitfall auf die landesgesetzlichen Polizeivorschriften über die Sicherstellung und Verwahrung von Gegenständen gestützt wird, sondern auf eine Ersatzvornahme. Danach kann die Durchsetzung des mit Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen verbundenen Gebots, ein dort abgestelltes Fahrzeug alsbald wegzufahren, im Wege der Ersatzvornahme durch Abschleppen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Auch in diesem Fall ist die Maßnahme der öffentlichrechtlichen Eingriffsverwaltung zuzuordnen. Die Erstattung der Kosten für die Ersatzvornahme vollzieht sich ebenfalls nach öffentlichrechtlichen Vorschriften. Die Herausgabe des abgeschleppten Kraftfahrzeugs kann auch in diesem Fall von der Zahlung der Kosten abhängig gemacht werden. Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung im Falle der Ersatzvornahme ist § 52 Abs. 1 PolG NRW i.V. mit § 77 VwVG NRW. Nach § 77 Abs. 5 VwVG NRW kann die Herausgabe der Sache von der Zahlung eines Vorschusses bis zur voraussichtlichen Höhe der noch festzusetzenden Kosten abhängig gemacht werden.

Die Revision bringt ohne Erfolg vor, die Polizeibehörde schließe mit dem Abschleppunternehmer auf privatrechtlicher Grundlage Geschäfte ab. Es handele sich um die kommerzielle Beschaffung sachlicher und personeller Mittel (Dienstleistungen). Diese Beschaffungsgeschäfte unterstünden den Regeln des Privatrechts. Auch der Einzug öffentlichrechtlicher Kostenerstattungsforderungen erfolge auf privatrechtlicher Grundlage.

Das Beschaffungsgeschäft ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Der Kläger hat seinen Unterlassungsantrag nicht gegen eine Vereinbarung zwischen der Polizeibehörde und der Beklagten als Abschleppunternehmerin gerichtet, sondern er erstrebt das Verbot der Geltendmachung der Behördenansprüche aufgrund von Abschleppmaßnahmen durch die Beklagte. Deren Geltendmachung erfolgt jedoch auf öffentlichrechtlicher Grundlage.


BGH, 26.01.2006 - Az: I ZR 83/03

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen von der Wirtschaftswoche

Fragen kostet nichts: Schildern Sie uns Ihr Problem – wir erstellen ein individuelles Rechtsberatungsangebot für Sie.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

So bewerten Mandanten unsere Rechtsberatung

Durchschnitt (4,85 von 5,00 - 1.239 Bewertungen) - Bereits 393.298 Beratungsanfragen

Super Beratung und Hilfe, vielen Dank.

Verifizierter Mandant

Dr. Voß ist sehr ausführlich auf meine Fragestellung eingegangen und hat mein Problem durch entsprechende Hinweise perfekt gelöst.
Sehr ...

Verifizierter Mandant