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Der Einbau eines sogenannten Thermofensters rechtfertigt nicht per se die Annahme einer sittenwidrigen Handlung

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 5 Minuten

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Der Einbau eines sogenannten Thermofensters ist nicht per se als sittenwidrige Handlung einzustufen. Anders als beim Einbau einer „Schummelsoftware“ handelt es sich beim „Thermofenster“ nicht um eine eindeutig unzulässige Abschalteinrichtung.

Es kann daher nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass herstellerseitig in dem Bewusstsein gehandelt wurde, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.

Vielmehr muss eine unter Umständen falsche, aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung und –anwendung durch die Verantwortlichen der Fahrzeugherstellerin in Betracht gezogen werden.

Der Senat hat hiermit das klageabweisende Urteil des Landgerichts Mainz (Az: 9 O 78/18) bestätigt.

Im konkreten Fall hatte der Kläger im Mai 2017 ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug Mercedes Benz E 350 T CDI geleast, in welchem ein Motor OM 642 der Schadstoffklasse 6 eingebaut ist. Das Fahrzeug verfügt zur Minderung der Stickoxidemissionen über eine sogenannte Abgasrückführung. Hierbei wird ein Teil des Abgases in das Ansaugsystem des Motors zurückgeführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird bei geringeren Außen-/Ladelufttemperaturen zurückgefahren (sogenanntes Thermofenster).

Für die Entscheidung des Senats war maßgeblich, dass die Verwendung des „Thermofensters“ nicht eindeutig gesetzlich unzulässig und damit der Einbau dieser Steuerungssoftware nicht per se sittenwidrig sei.

Sittenwidrig ist nach allgemeiner Definition ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt und besonders verwerflich ist.

Diese Voraussetzungen können nach Auffassung des Senats beim Einbau einer „Schummelsoftware“ bejaht werden, weil deren Verwendung eindeutig unzulässig und dies auch den Verantwortlichen bewusst sei.

Beim „Thermofenster“ hingegen handele es sich nicht um eine „Schummelsoftware“, denn die betreffende Motorsteuerung arbeite vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise wie auf dem Prüfstand. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die einschlägige Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die Verwendung von Abschalteinrichtungen gestatte, wenn die Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.

Auf diese Ausnahmeregelung könne im Falle des „Thermofensters" durchaus verwiesen und ernsthaft der Gesichtspunkt des Motor- respektive Bauteilschutzes angeführt werden. Eine Auslegung der gesetzlichen Regelung, wonach ein „Thermofenster“ eine zulässige Abschaltvorrichtung darstellt, sei daher nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes könne nicht als ein besonders verwerfliches Verhalten angesehen und somit nicht als sittenwidrig eingestuft werden.

Soweit der Kläger den Einbau weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen behauptet hat, hat der Senat klargestellt, dass der Kläger hierzu konkret vortragen muss. Gibt es zu dem betreffenden Motor noch keine öffentlich zugänglichen Erkenntnisse über den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen, muss der Kläger gegebenenfalls zunächst ein Privatgutachten einholen.


OLG Koblenz, 21.10.2019 - Az: 12 U 246/19

ECLI:DE:OLGKOBL:2019:1021.12U246.19.00

Nachfolgend: BGH, 05.03.2024 - Az: VI ZR 466/19

Quelle: PM des OLG Koblenz

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