Nach nationalem Recht ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, eine
Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist (
§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG,
§ 46 Abs. 1 FeV). Dies gilt auch für Inhaber einer ausländischen
EU-Fahrerlaubnis, deren Nutzung im Inland zu untersagen ist, wenn entsprechende Eignungsmängel vorliegen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 5 Satz 2 FeV).
Im Bereich des europäischen Führerscheinrechts gilt der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG. Danach sind in einem Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnisse grundsätzlich ohne weitere Formalitäten in allen anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen. Dieser Grundsatz wird jedoch durch die in Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen eingeschränkt. Danach ist der Aufnahmestaat befugt, Maßnahmen zu ergreifen, wenn der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis bereits im Inland eine Fahrerlaubnis entzogen bekommen hat oder wenn das Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie offenkundig nicht erfüllt wurde.
Die Rechtsprechung des EuGH betont, dass die Missachtung des Wohnsitzprinzips eine Ausnahme vom Anerkennungsgrundsatz rechtfertigen kann, wenn sich der Verstoß eindeutig aus Angaben im Führerschein oder aus unbestreitbaren Informationen des Ausstellerstaates ergibt (EuGH, 26.06.2008 - Az:
C-329/06 und C-343/06; EuGH, 26.06.2008 - Az: C-334/06 bis C-336/06). Die Sicherheit des Straßenverkehrs gebietet eine strikte Beachtung dieser Vorgabe. Der Schutz dieser Rechtsgüter rechtfertigt es, in Fällen offenkundiger Verstöße den Anerkennungsgrundsatz zurücktreten zu lassen.
Im nationalen Recht kann die Aberkennung des Rechts zur Nutzung einer EU-Fahrerlaubnis daher auf § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV gestützt werden, wenn neben der formalen Missachtung des Wohnsitzerfordernisses auch fortbestehende Zweifel an der Fahreignung bestehen. Solche Zweifel können sich aus
medizinisch-psychologischen Gutachten ergeben, die nach der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis erstellt wurden. Ob dabei ausschließlich auf ein aktives Verhalten nach Erwerb des Führerscheins abzustellen ist oder auch Zustandselemente wie fortbestehende Suchtproblematiken erfasst werden, bleibt nach der Auslegung der Begriffe „conduct“ bzw. „comportement“ durch den EuGH offen.
In jedem Fall eröffnet Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis zu versagen, wenn zuvor eine Entziehung im Inland erfolgt ist. Eine auf dieser Grundlage ausgesprochene Aberkennung der Nutzung einer ausländischen Fahrerlaubnis verstößt nicht gegen Unionsrecht, wenn hinreichend gesichert ist, dass die Voraussetzungen des Wohnsitzerfordernisses nicht erfüllt waren und weiterhin erhebliche Fahreignungszweifel bestehen.
Die Rechtsprechung verschiedener Oberverwaltungsgerichte und des EuGH stellt klar, dass in solchen Fällen die Belange der Verkehrssicherheit das Interesse des Fahrerlaubnisinhabers an der Nutzung der ausländischen Fahrerlaubnis überwiegen (OVG Nordrhein-Westfalen, 04.11.2005 - Az: 16 B 736/05; OVG Nordrhein-Westfalen, 13.09.2006 - Az: 16 B 989/06; OVG Nordrhein-Westfalen, 23.02.2007 - Az: 16 B 178/07; EuGH, 26.06.2008 - Az:
C-329/06 und C-343/06; EuGH, 26.06.2008 - C-334/06 bis C-336/06).