Das Amtsgericht Gießen hat den Angeklagten am 15.07.2014 wegen Erschleichens von Leistungen in 2 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt.
Auf die Berufung dagegen hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Gießen den Angeklagten mit Urteil vom 18.04.2016 freigesprochen.
Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Revision eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
„Der Angeklagte ist ein Politaktivist, der sich gegen die Strafbarkeit der Hinterziehung des Entgeltes für die Beförderung durch die öffentlichen Verkehrsmittel von Bussen und Bahnen wendet und die Kostenfreiheit im öffentlichen Personennahverkehr fordert. Er benutzt in bewusster Provokation Verkehrsmittel in Kenntnis der vertraglichen Mindestbedingung, dass vor Fahrantritt ein für die konkrete Strecke gültiger Fahrausweis erworben werden muss, worauf durch plakative Hinweise an den Einstiegen zu Bussen und Bahnen gesondert und sichtbar hingewiesen wird, während das Kleingedruckte der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bahn in der Informationsflut untergeht. Im Entdeckungsfall verweigert der Angeklagte je nach Situation die Nachlösung eines normalen Fahrscheins oder eines Fahrscheins mit einem Kostenaufschlag zu erhöhtem Beförderungsentgelt, sofern dies überhaupt möglich ist. Zivilrechtliche Ansprüche der Bahn- oder Busbetreiber gehen bei dem pfändungsfreien Angeklagten ins Leere.
Dem Anschein des vertragsgemäßen Verhaltens bei Fahrantritt wirkt der Angeklagte entgegen, indem er aktuell ca. 9 cm mal 10 cm große Kärtchen oder Aufnäher mit der hervorgehobenen Aufschrift an seiner Jacke trägt: „Ich fahre umsonst“. Es folgen in kleinerem Druck nähere Erläuterungen. Wegen der Einzelheiten und Größenverhältnisse wird auf das maßstäblich zu kleine Lichtbild Bl. 69 mit dem zur Tatzeit getragenen Schild von tatsächlich ca. 5,5 cm mal 8,5 cm und auf das neue Schild zu Bl. 171, Protokoll vom 18.04.2016 Bezug genommen. In der Folge des vor ähnlichem Hintergrund freisprechenden Urteils des Amtsgerichts Stadt1 vom ....2015 (.../14) verteilt der Angeklagte zur Verdeutlichung der politischen Botschaft heute zusätzlich entsprechende Flugblätter.
In vorbezeichneter Weise war der Angeklagte noch ohne Flugblätter am ....06.2013 in Stadt2 Nahverkehr auf S-Bahnstrecken unterwegs. Entgegen der Hinweise an den Zugeinstiegen hatte der Angeklagte bewusst keinen gültigen Fahrausweis dabei. Allgemein bekannt können sich Reisende mit Einzel- und Gruppenfahrscheinen, personengebundenen Dauerfahrscheinen oder modern auch Handytickets ausweisen. Eine Zugangskontrolle am Bahnsteig oder Einstieg findet nicht statt. Die früher insbesondere bei Bussen und Straßenbahnen übliche Pflicht, mit Dauerfahrscheinen beim Fahrer einzusteigen oder Einzelfahrscheine bei Fahrtantritt am Automaten zu entwerten, gibt es bei der Bahn ohnehin nicht.
Am ....06.2013 benutzte der Angeklagte so den Zug Nr. 1 der A AG auf der Strecke Stadt3 nach Stadt2 Hbf . Die Kontrolle durch die Zeugin B fand nach Fahrtantritt um 09.27 Uhr im Bereich Stadt4 statt (Bl. 1 d. A.). Der Fahrpreis hätte 6,20 € betragen.
Dann benutzte der Angeklagte ebenfalls am ....06.2013 den Zug Nr. 2 auf der Strecke von Stadt2 Hbf . nach Stadt5 . Die Kontrolle durch die Zeugin C fand um 16:17 Uhr im Bereich Sradt5 statt (Bl. 5 d. A.). Der Fahrpreis hätte 6,20 € betragen.
An seiner auf den Knien liegenden Jacke trug der Angeklagte jeweils deutlich für Fahrgäste und Kontrolleure sicht- und lesbar ein wenigstens scheckkartengroßes Schild mit dem Aufdruck:
Ich fahre
umsonst
weil genug für alle da ist und Preise
nur Menschen ausschließen von
etwas, was für ein gutes Leben
wichtig ist und niemanden stört, dass
sie es auch bekommen.
Vor der Entdeckung hätte der Angeklagte jeweils an mehreren Stationen, ca. 3 bis 4mal die Gelegenheit gehabt auszusteigen, um der Kontrolle zu entgehen. Der Angeklagte gab freiwillig seine Personalien bekannt. Dem Angeklagten wurde vorgehalten, warum er keinen Fahrschein gekauft habe. Eine Nachlöseforderung im Zug erfolgte nicht. Des Zuges verwiesen wurde der Angeklagte auch nicht.“
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