Es ist allgemein anerkannt, dass Seuchen als unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände anzusehen sind. Die Gewährung eines entschädigungslosen
Rücktritts ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn das Ansteckungsrisiko für den
Reisenden von einer gewissen Erheblichkeit ist und auch nicht, gegebenenfalls durch zumutbare Vorkehrungen des Reisenden selbst, eingedämmt werden kann.
Eine offizielle Reisewarnung stellt typischerweise ein starkes Indiz für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands dar.
Der Sinn und Zweck eines Gastschulaufenthalts besteht nämlich im Unterschied zu einer touristischen Reise nicht in der Urlaubs- und Freizeitgestaltung des Reisenden, sondern darin, dass der Gastschüler den Alltag wie ein Einheimischer im Gastland miterlebt, was im Falle einer über einen längeren Zeitraum andauernden Pandemie letztlich auch das Erleben des Alltags unter Pandemiebedingungen bedeuten kann.
Das Gericht hielt es im vorliegenden Fall jedoch für maßgebend, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Buchung zu Beginn des Jahres 2020 nach der damaligen Informationslage nicht mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens, einschließlich des öffentlichen Reiseverkehrs, zu rechnen brauchte. In Anbetracht des vom konkreten Reisezweck unabhängigen Ansteckungsrisikos für sämtliche Reisende lies sich die von der Reisewarnung des Auswärtigen Amts ausgehende Indizwirkung auf Gastschulaufenthalte übertragen.
Das Coronavirus und das davon ausgehende Infektionsrisiko differenziert nicht nach dem individuellen Zweck der Einreise. Es kommt auch nicht darauf an, dass kein Reiseverbot der Bundesregierung für die USA ausgesprochen wurde.
Der Entschädigungsanspruch des Veranstalters ist gemäß
§ 651h Abs. 3 Satz 1 BGB nicht nur dann ausgeschlossen, wenn die Durchführung der Reise gänzlich unmöglich wird, vielmehrt reicht bereits eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise bzw. der Beförderung von Personen an den Bestimmungsort aus.
Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt vor, wenn aus Sicht eines Durchschnittsreisenden im Zeitpunkt des Rücktritts der vertraglich vorgesehene Nutzen der Reise als Ganzes für den konkreten Reisenden in Frage gestellt wird.
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