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Flugannullierung wegen Fluglotsenstreiks

Reiserecht | Lesezeit: ca. 9 Minuten

Im vorliegenden Fall wurden die Passagiere per E-Mail darüber informiert, dass aufgrund eines Fluglotsenstreiks in Frankreich die Durchführung des (Rück-)Fluges nicht möglich sei. Angeboten wurde entweder mit dem nächst möglichen Flug kostenlos befördert zu werden, einen anderen Flug zu buchen, wobei die Preisdifferenz von den Passagieren zu tragen wäre oder aber die Erstattung des Flugpreises.

Am geplanten Flugtag wurde den Passagieren am Flughafen mitgeteilt, dass eine Ersatzbeförderung erst 6 Tage später möglich sei. Weder Betreuungsleistungen noch der Flug mit einer anderen Fluggesellschaft wurden angeboten. Daraufhin buchten die Passagiere selbst einen Flug für den Nachmittag des gleichen Tages, wobei dann noch eine Weiterfahrt per Bahn erfolgte.

Später erstattete die Fluggesellschaft zwar den Flugpreis, eine Belehrung über die Fluggastrechte oder eine Erstattung der weiteren Kosten erfolgte nicht.

Die Fluggesellschaft war der Ansicht, dass eine Haftung ausgeschlossen sei, da die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen sei. Es sei ermessensgerecht gewesen, die betroffenen Flüge zu annullieren. Aufgrund des Fluglotsenstreiks hätte der Fluggesellschaft lediglich ein ATC-Slot zugeteilt werden können, der mindestens 5 Stunden nach dem Abflug gelegen hätte. Zudem sei der Anspruch ausgeschlossen, da die Passagiere ihr Wahlrecht dahin ausgeübt hatten, die Erstattung des Reisepreises zu verlangen.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die Fluggesellschaft hat ihre Pflicht gemäß Art. 8 Abs. 1 Lit. b) VO (EG) Nr. 261/2004 verletzt.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 Lit. b) VO (EG) Nr. 261/2004 war die Fluggesellschaft in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Lit. a) verpflichtet, die Passagiere auf deren Aufforderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu befördern.

Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Flug aufgrund des Fluglotsenstreiks in Frankreich annulliert wurde.

Insoweit kann auch dahin gestellt bleiben, ob diese Annullierung auf außergewöhnlichen Umständen beruhte, da Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 lediglich die Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichszahlung ausschließt. Vorliegend wird jedoch keine Ausgleichszahlung, sondern lediglich ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht.

Die Fluggesellschaft hat nicht darlegte, in welche Form sie sich darum bemüht hat, die Passagiere zum Endziel zu befördern. Sie hat lediglich vorgetragen, dass der annullierte Flug nicht durchführbar war. Dies war jedoch nicht ausreichend. Vielmehr hätte vorgetragen werden müssen, welche Bemühungen unternommen wurden, einen Transport zu Endziel zu ermöglich. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Fluggesellschaft verpflichtet gewesen wäre, nur auf eigenen Kapazitäten zurückzugreifen oder auch auf fremde. Jedenfalls war es nicht ohne weitere Darlegung der eigenen Kapazitäten ausreichend, die Passagiere erste einen Rückflug 6 Tage nach der geplanten Abflugzeit anzubieten.

Da die Fluggesellschaft ihre Pflicht gemäß Art. 8 Abs. 1 Lit. b) VO (EG) Nr. 261/2004 verletzt hat, liegt eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Aus Art. 8 und 9 VO (EG) Nr. 261/2004 ergeben sich entsprechende Schadensersatzansprüche nicht.

Das Verschulden der Fluggesellschaft wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die Fluggesellschaft hat nichts dazu vorgetragen, dass sie entlasten konnte. Insbesondere aus dem Umstand, dass es den Passagieren möglich war, noch am gleichen Tag nach Hannover zurückzukehren verdeutlicht, dass es der Fluggesellschaft nicht unmöglich war, einen entsprechenden Transport zu organisieren.

Die Passagiere mussten für die Ersatzbeförderung insgesamt 1.569,90 EUR aufwenden. Da ihnen die Rückflugkosten in Höhe von 544,78 EUR erstattet wurden, verbleibt ein Schaden in Höhe von 1.025,12 EUR.

Die Passagiere haben auch nicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB gegen eine Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie einen von der Fluggesellschaft angebotenen Ersatzflug nicht angenommen haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob ihnen überhaupt hinreichend konkret ein Ersatzflug angeboten wurde, jedenfalls war ein Ersatzflug erst 6 Tage nach der geplanten Abflugzeit unzumutbar, insbesondere da die Fluggesellschaft auch keine weiteren Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 VO (EG) Nr. 261/2004 angeboten hat.

Der Ersatzpflicht steht auch nicht entgegen, dass die Kosten für den Rückflug erstattet wurden.

Die Fluggesellschaft wies zwar zutreffend darauf hin, dass die Rechte des Fluggastes aus Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004 nur alternativ geltend gemacht werden können. Vorliegend konnte sich die Fluggesellschaft jedoch auf einen entsprechenden Ausschluss nicht berufen.

Da vorliegend bei der Erstattung mitgeteilt wurde, dass sich weitere Schadensersatzansprüche vorbehalten werden, erschien fraglich, ob überhaupt ein entsprechendes Wahlrecht ausgeübt wurde. Dies konnte jedoch dahingestellt bleiben, da sich die Fluggesellschaft auch bei Ausübung eines entsprechenden Wahlrechts nicht auf den Ausschluss berufen könnte.

Die Fluggesellschaft war gemäß Art. 14 Abs. 2 VO (EG) Nr. 261/2004 verpflichtet, bei einer Annullierung jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis auszuhändigen, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß dieser Verordnung dargelegt werden. Dieser Pflicht ist die Fluggesellschaft nicht nachgekommen. Vielmehr hat die Fluggesellschaft die Passagiere trotz Kenntnis der entstandenen Rückreisekosten auf die Möglichkeit der einfachen Flugkostenerstattung ohne entsprechende Belehrung verwiesen. Insoweit erscheint es treuwidrig, dem Fluggast trotz entsprechender Kenntnis der weiteren Kosten die Rückerstattung anzubieten, um dann sich hinsichtlich der übrigen Kosten auf die Ausübung des Wahlrechts zu berufen.

Dieser Auslegung steht auch nicht die Entscheidung des BGH vom 25.03.2014 (BGH, 25.03.2010 - Az: Xa ZR 96/09) entgegen. Aus der Entscheidung ergibt sich, dass der BGH von dem Sachverhalt ausgegangen ist, dass dem Fluggast zunächst der Flugpreis in Höhe von 20,- EUR erstattet worden ist, so dass der Anspruch auf anderweitige Beförderung entfallen ist. Erst danach wurde der Ersatzflug gebucht. Vorliegend waren die Kosten und damit der Schadensersatzanspruch bereits begründet, als die Rückerstattung erfolgte. Es ist nicht ersichtlich, dass von dem Verordnungsgeber beabsichtigt war, dass das Luftverkehrsunternehmen nach dem Entstehen eines entsprechenden Schadensersatzanspruches die Möglichkeit haben sollte, diesen dadurch wieder zu Fall zu bringen, indem dem Fluggast ohne entsprechende Belehrung die Erstattung des Flugpreises angeboten wird.


AG Hannover, 26.11.2014 - Az: 506 C 3954/14

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