Werden Fluggäste durch eine Klausel in den AGB daran gehindert, die Tarifstruktur zu unterlaufen und eine Beförderung zu günstigeren Konditionen zu erhalten, indem lediglich Teile einer gebuchten Flugreise in Anspruch genommen werden, so liegt keine unangemessene Benachteiligung vor.
Hier liegt keine einseitige Vertragsgestaltung vor, mittels derer der Anbieter missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten der Kunden durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch die Belange der Kunden hinreichend zu berücksichtigen und einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Tatsächlich liegt eine berechtigte Interessenwahrnehmung vor, wenn ein Unterlaufen der Tarifstruktur verhindert werden soll. Kunden, die das Preisgefüge unterlaufen wollen, sind auch nicht schutzwürdig.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger ist der Dachverband u.a. aller 16 Verbraucherzentralen in Deutschland und als solcher in die gem. § 4 Abs. 1 UKlaG geführte Liste eingetragen. Er beanstandet bestimmte von der Beklagten, der E. M., verwendete Vertragsklauseln gem. § 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Fluggäste. Die von der Beklagten im Geschäftsverkehr verwendeten „Beförderungsbedingungen für Fluggäste und Gepäck (ABB Flugpassage)“ enthalten in Ziffer 3.3 Regelungen über die Reihenfolge der Benutzung der Flugcoupons. Die ersten vier Sätze der Bestimmung unter Ziffer 3.31 – im Folgenden: „Klausel 1) – 4)“ - bilden den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Sie lauten:
„Die vereinbarte Beförderungsleistung umfasst die Beförderungsstrecke, die im Flugschein enthalten ist, beginnend mit dem ersten und endend mit dem letzten Ort der gesamten im Flugschein eingetragenen Streckenführung. Der Flugschein verliert seine Gültigkeit und wird nicht zur Beförderung angenommen, wenn Sie nicht alle Flugcoupons vollständig und in der im Flugschein vorgesehenen Reihenfolge ausnutzen. Die Inanspruchnahme der gesamten Beförderungsleistung ist wesentlicher Bestandteil des mit uns geschlossenen Beförderungsvertrages. Die Kündigung einzelner Teilstrecken (Coupons) ist vertraglich ausgeschlossen.“
Anschließend finden sich unter der Überschrift „Umschreibung auf Wunsch des Fluggastes“ in Ziffer 3.3.2 Regelungen für den Fall, dass der Kunde Änderungen an der vorgesehenen Beförderung vornehmen will. Er kann danach im Regelfall zu dem nachberechneten Preis für die veränderte Beförderung diese in Anspruch nehmen. Eine Sonderregelung ist für den Fall vorgesehen, dass der Änderungswunsch des Kunden auf höherer Gewalt beruht.
Der Kläger sieht in den vier Klauseln eine gem. § 307 BGB unangemessene Benachteiligung der Kunden, die in ihrem Recht beschnitten würden, anstelle der gesamten auch lediglich Teilleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Klausel 1) setze zudem unzulässig erweise den in § 305 b BGB normierten Vorrang der Individualabrede außer Kraft.
Die Beklagte hält das angegriffene Regelwerk für nicht kontrollfähig und sieht es als zur Stützung ihres Tarifsystems notwendig an. Danach biete sie z.B. Flüge mit kürzeren Flugstrecken teilweise zu höheren Preisen als solche auf längeren Strecken an, was im Einzelfall ohne Regulierung die Möglichkeit eröffne, mit dem günstigeren, von ihr aber für die längere Strecke ausgegebenen Ticket erst an demjenigen Flughafen zuzusteigen, von dem aus der Flug nach ihren Tarifen den höheren Preis koste, und so das Tarifsystem zu unterlaufen, das indes wegen unterschiedlicher Marktgegebenheiten an den verschiedenen Abflugorten notwendig sei.
Das Landgericht hat der Beklagten antragsgemäß die Verwendung der vier Klauseln und inhaltsgleicher Regelungen gegenüber Kunden mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland sowie das Berufen auf solche Klauseln bei der Abwicklung von Verträgen, die nach dem 1.7.1977 geschlossen worden sind, untersagt und die Beklagte zur Zahlung von 200 € Abmahnkosten nebst Zinsen verurteilt.
Zur Begründung ihrer Berufung, mir der sie weiter die Abweisung der Klage begehrt, wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Klausel 1) stelle den Vorrang der Individualabrede nicht in Frage, zudem kämen solche angesichts der Online-Buchung aber auch nicht vor. Die Klauseln seien im übrigen zur Aufrechterhaltung ihres Tarifystems notwendig und stünden im Einklang mit Verlautbarungen der EU-Kommission. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Der Ausschluss des Rechts, nur Teile der gebuchten Flugstrecke in Anspruch zu nehmen, stellt sich nicht als unangemessene Benachteiligung der Fluggäste dar. Demgegenüber rügt der Kläger mit Recht, dass durch die Klausel 1) der gesetzliche Vorrang der Individualabrede beseitigt wird, was eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB darstellt. Der Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten besteht nicht.
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