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Aufwendungsersatzanspruch der Bank bei illegalem Online-Glücksspiel: BGH bestätigt Wirksamkeit von Kreditkartenzahlungen

Geld & Recht | Lesezeit: ca. 9 Minuten

Die klagende Bank verlangt von dem Beklagten Zahlung aus einem gekündigten Girovertrag. Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin seit dem Jahr 2010 ein Girokonto. In den Jahren 2018 und 2019 nahm er unter Verwendung einer ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellten Kreditkarte mehrere Zahlungen an verschiedene Anbieter von Glücksspielen vor. Die Klägerin belastete das Girokonto entsprechend, forderte den Beklagten mit mehreren Schreiben unter Fristsetzung erfolglos zum Ausgleich der Kontoüberziehungen auf und kündigte anschließend die Kontoverbindung.

Der Beklagte macht geltend, die von ihm vorgenommenen Autorisierungen der Kreditkartenzahlungen, mit denen er sich an illegalen Online-Glücksspielen beteiligt habe, seien gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (nachfolgend aF) nichtig, so dass der Klägerin in Ermangelung einer wirksamen Autorisierung der an die Glücksspielanbieter geleisteten Zahlungen keine Aufwendungsersatzansprüche zustünden.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht gegeben.

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsfrage insbesondere dann nicht zu, wenn sie zwar vom Bundesgerichtshof bislang noch nicht entschieden worden ist, in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte aber einhellig beantwortet wird und die hierzu in der Literatur vertretenen abweichenden Meinungen vereinzelt geblieben sind. So liegen die Dinge hier.

Die Oberlandesgerichte, die sich mit der Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV aF bislang befasst haben, sind mit dem Berufungsgericht einhellig der Auffassung, dass die Zahlungen an die Glücksspielanbieter wirksam vom Zahler autorisiert wurden und die erteilten Autorisierungen (§ 675j BGB) nicht gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV aF nichtig sind. Obergerichtliche Rechtsprechung, die einen anderen Standpunkt einnimmt, besteht nicht. Die ganz herrschende landgerichtliche Rechtsprechung und die in der Literatur herrschende Meinung stehen ebenfalls im Einklang mit dem Berufungsurteil. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf die gegenteilige Auffassung des Landgerichts Ulm (LG Ulm, 16.12.2019 - Az: 4 O 202/18) verweist, ist diese Entscheidung nicht rechtskräftig. Das Berufungsverfahren ist beim Oberlandesgericht Stuttgart (vgl. OLG Stuttgart, 15.01.2021 - 5 U 11/20) anhängig. Die gegenteilige Entscheidung des Amtsgerichts München (AG München, 21.02.2018 - Az: 158 C 19107/17) ist durch die zeitlich danach liegenden Entscheidungen der übergeordneten Gerichte (vgl. LG München I, WM 2019, 1302; OLG München, 28.02.2020 - Az: 8 U 5467/19; OLG München, 04.03.2019 - Az: 19 U 793/18), die im Einklang mit dem Berufungsgericht judiziert haben, überholt. Das Amtsgericht Leverkusen (AG Leverkusen, 19.02.2019 - Az: 26 C 346/18) hat seine Entscheidung tragend auf die Senatsrechtsprechung (BGH, 24.09.2002 - Az: XI ZR 420/01 und BGH, 16.04.2002 - Az: XI ZR 375/00) gestützt. Das Amtsgericht Neuss (ZfWG 2021, 330, 332) hat sich der Entscheidung des Landgerichts Ulm angeschlossen, die allerdings nicht rechtskräftig ist. Die von der Beschwerde angeführten abweichenden Literaturstimmen begründen keinen Klärungsbedarf. Sie sind vereinzelt geblieben.

b) Darüber hinaus fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, weil es sich bei § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV aF um auslaufendes Recht handelt.

Zum 1. Juli 2021 trat ein neuer Glücksspielstaatsvertrag in Kraft. Dieser enthält in § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV dem Wortlaut nach zwar dieselbe Regelung wie § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV aF. Das für diese Regelungen maßgebende Auslegungsmaterial hat sich aber grundlegend geändert. Denn seit der Novellierung des Glücksspielstaatsvertrages im Jahr 2021 besteht kein generelles Verbot mehr für die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet (vgl. § 4 Abs. 4 GlüStV in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung einerseits und § 4 Abs. 4 GlüStV andererseits; vgl. hierzu auch die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021, Seite 1). Die Motive zu § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV haben sich ebenfalls geändert. Nach den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 (Seite 35) zu § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV bestimmt diese Vorschrift eine "unmittelbare Verpflichtung" der am Zahlungsverkehr Beteiligten, neben der die Überwachungsbefugnisse der Glücksspielaufsichtsbehörden nach § 9 GlüStV bestehen. In den Erläuterungen vom 7. Dezember 2011 zum Glücksspielstaatsvertrag 2012 heißt es zu § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV aF demgegenüber, dass die Regelung im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 GlüStV aF zu sehen ist und die Möglichkeiten der Inanspruchnahme Dritter als verantwortliche Störer erweitert, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen wurden. Zudem wird der neue Satz 3 des § 4 Abs. 1 GlüStV bei der systematischen Auslegung von § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV zu berücksichtigen sein. Mit § 28a GlüStV wurden schließlich erstmals Ordnungswidrigkeitentatbestände in den Glücksspielstaatsvertrag aufgenommen, die u.a. auch an Verstöße gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV anknüpfen (§ 28a Abs. 1 Nr. 2 GlüStV 2021). Auch dieser Umstand wird bei der Auslegung von § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 von Bedeutung sein. Danach unterscheiden sich die für die Auslegung von § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV aF einerseits und von § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV andererseits relevanten Gesichtspunkte nicht unerheblich, so dass § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV aF als auslaufendes Recht anzusehen ist. Dass die Auslegung des auslaufenden § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV aF auch für die Zukunft richtungsweisend sein kann, weil entweder noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden oder die Frage für das neue Recht weiterhin von Bedeutung ist, hat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht dargelegt.


BGH, 24.05.2022 - Az: XI ZR 390/21

ECLI:DE:BGH:2022:240522BXIZR390.21.0

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