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Atypisch stille Beteiligung: Kann aus der Kapitalanlage ein Totalverlust werden?

Geld & Recht | Lesezeit: ca. 11 Minuten

Kapitalanleger suchen ständig nach rentablen und scheinbar sicheren Investitionsmöglichkeiten. Ein Modell, das in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist die sogenannte atypisch stille Beteiligung. Vermittler und Emissionshäuser preisen diese Form der Unternehmensbeteiligung oft als eine attraktive Alternative zu klassischen Anlageformen wie Aktien oder festverzinslichen Wertpapieren an. Versprochen werden hohe Renditen durch die Teilnahme am Erfolg eines Unternehmens, sei es durch Einmalanlagen oder regelmäßige Sparpläne. Doch die Realität sieht für viele Anleger ernüchternd aus: Statt der erhofften Gewinne stehen sie am Ende nicht selten vor dem Totalverlust ihres eingesetzten Kapitals. In solchen Fällen stellt sich die Frage nach rechtlichen Möglichkeiten und potenziellen Schadensersatzansprüchen.

Was ist eine atypisch stille Gesellschaft?

Die stille Gesellschaft ist im Handelsgesetzbuch (HGB) in den §§ 230 ff. geregelt. Bei der klassischen, sogenannten typisch stillen Gesellschaft, beteiligt sich der Anleger (der stille Gesellschafter) mit einer Vermögenseinlage am Handelsgewerbe eines anderen (des Geschäftsinhabers). Im Gegenzug erhält er eine Beteiligung am Gewinn. Entscheidend ist hierbei, dass der typisch stille Gesellschafter nicht am Verlust des Unternehmens über seine Einlage hinaus beteiligt ist und auch keine Mitspracherechte wie ein regulärer Gesellschafter hat. Er ist reiner Kapitalgeber und tritt nach außen nicht in Erscheinung.

Die atypisch stille Beteiligung weicht hiervon entscheidend ab. Zwar leistet der Anleger auch hier eine Einlage und bleibt nach außen unsichtbar, doch seine Stellung ist eine völlig andere. Der entscheidende Unterschied liegt in der erweiterten Beteiligung des Anlegers am Unternehmen. Bei der atypisch stillen Beteiligung ist der Gesellschafter nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust des Unternehmens beteiligt. Darüber hinaus wird er in der Regel auch am Zuwachs des Unternehmensvermögens und an den sogenannten stillen Reserven beteiligt. Dies hat erhebliche steuerrechtliche Konsequenz: Der atypisch stille Gesellschafter wird nicht mehr als reiner Kapitalanleger, sondern als Mitunternehmer eingestuft. Seine Einkünfte sind demnach nicht mehr Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Unternehmerisches Risiko und die Gefahr des Totalverlusts

Die mitunternehmerische Stellung birgt für den Anleger erhebliche Risiken, über die in Beratungsgesprächen oft nur unzureichend oder gar nicht aufgeklärt wird. Während der typisch stille Gesellschafter lediglich den Verlust seiner Einlage riskiert, kann der Verlust bei der atypisch stillen Beteiligung weit darüber hinausgehen, sofern der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. In den meisten Vertragsgestaltungen ist das Risiko zwar auf die Höhe der Einlage begrenzt, doch das Risiko des vollständigen Verlusts dieser Einlage (Totalverlustrisiko) ist immanenter Bestandteil dieser Beteiligungsform.

Scheitert das Unternehmen, an dem die Beteiligung besteht, und muss Insolvenz anmelden, ist die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters in der Regel verloren. Im Insolvenzverfahren werden die Forderungen der stillen Gesellschafter nur nachrangig bedient. Das bedeutet, dass erst alle anderen Gläubiger befriedigt werden, bevor der stille Gesellschafter auch nur einen Teil seiner Einlage zurückerhält. In der Praxis bleibt nach der Befriedigung der vorrangigen Gläubiger meist keine Masse mehr übrig, sodass die Einlagen der stillen Gesellschafter vollständig ausfallen. Diese Gefahr des Totalverlusts ist das Hauptrisiko, das einem Anleger vor Vertragsabschluss unmissverständlich und deutlich vor Augen geführt werden muss.

Aufklärungspflichten des Vermittlers und der Gesellschaft

Aus der komplexen Natur und den erheblichen Risiken der atypisch stillen Beteiligung ergeben sich strenge Aufklärungs- und Beratungspflichten für das anbietende Unternehmen sowie für die für sie tätigen Anlageberater und -vermittler.

Eine anlegergerechte Beratung verlangt, dass der Vermittler die persönlichen Verhältnisse des Anlegers genau erfragt und berücksichtigt. Dazu gehören dessen Anlageziele, seine finanzielle Situation, seine bisherigen Erfahrungen mit Kapitalanlagen und insbesondere seine Risikobereitschaft. Einer risikoscheuen Person, die eine sichere Altersvorsorge anstrebt, darf eine hochriskante unternehmerische Beteiligung wie die atypisch stille Gesellschaft nicht empfohlen werden. Der Vermittler muss prüfen, ob das Produkt überhaupt zum Anleger passt.

Die objektgerechte Beratung bezieht sich auf das Anlageprodukt selbst. Der Anleger muss umfassend, verständlich und ohne Beschönigungen über alle Eigenschaften, Chancen und vor allem Risiken der Kapitalanlage aufgeklärt werden. Bei einer atypisch stillen Beteiligung bedeutet dies insbesondere eine unmissverständliche Aufklärung über:

Das Totalverlustrisiko: Dem Anleger muss klar und deutlich mitgeteilt werden, dass seine gesamte Einlage verloren gehen kann. Eine Verharmlosung dieses Risikos, etwa durch Hinweise auf vermeintliche Sicherheiten oder positive Prognosen, ist unzulässig.

Die unternehmerische Natur der Beteiligung: Es muss verdeutlicht werden, dass es sich nicht um eine festverzinsliche Geldanlage oder ein Sparbuch handelt, sondern um die Teilnahme an einem unternehmerischen Wagnis mit allen dazugehörigen Unwägbarkeiten.

Die mangelnde Fungibilität: Anders als Aktien oder Fondsanteile kann eine stille Beteiligung nicht einfach an einer Börse verkauft werden. Der Anleger muss darüber aufgeklärt werden, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus der Gesellschaft oft nur schwer oder gar nicht möglich ist und er langfristig an das Unternehmen gebunden ist.

Interessenkonflikte des Vermittlers: Häufig erhalten Vermittler hohe Provisionen (sogenannte Kick-backs) für den Vertrieb solcher Beteiligungen. Über diese Rückvergütungen muss der Anleger aufgeklärt werden, da sie einen Anreiz für den Vermittler schaffen können, ein Produkt nicht im besten Interesse des Kunden, sondern aufgrund der hohen Provision zu empfehlen.

Wird auch nur eine dieser Pflichten verletzt, liegt eine Falschberatung vor, die zu Schadensersatzansprüchen führen kann.

Schadensersatzansprüche bei fehlerhafter Beratung

Stellt sich heraus, dass die Aufklärung über die Risiken der atypisch stillen Beteiligung unzureichend oder fehlerhaft war, können für den geschädigten Anleger Schadensersatzansprüche entstehen. Diese können sich sowohl gegen den Anlagevermittler oder die beratende Bank richten als auch gegen die Gesellschaft selbst, die die Beteiligung ausgegeben hat (Prospekthaftung).

Der Anspruch ergibt sich aus der Verletzung des Beratungsvertrages. Der Anleger muss darlegen und beweisen, dass die Beratung fehlerhaft war. Gelingt ihm dies, greift zu seinen Gunsten die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens. Das bedeutet, die Gerichte gehen davon aus, dass der Anleger bei korrekter und vollständiger Aufklärung über die Risiken, insbesondere das Totalverlustrisiko, die Beteiligung nicht gezeichnet hätte. Es ist dann an der Gegenseite, diese Vermutung zu widerlegen, was in der Praxis nur selten gelingt.

Im Erfolgsfall kann der Anleger verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die schädigende Anlageentscheidung nie getroffen. Juristisch spricht man hier von der Rückabwicklung. Der Anleger überträgt seine (oft wertlose) Beteiligung an den Schädiger zurück und erhält im Gegenzug seine geleistete Einlage nebst Zinsen erstattet. Eventuell erhaltene Ausschüttungen aus der Beteiligung muss er sich dabei anrechnen lassen.

Für die Geltendmachung von Ansprüchen sind Verjährungsfristen zu beachten. Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anleger von den anspruchsbegründenden Umständen (also der Falschberatung und dem daraus resultierenden Schaden) Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Unabhängig von der Kenntnis verjähren die Ansprüche in der Regel nach zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der Zeichnung der Beteiligung. Anleger sollten daher bei einem drohenden Verlust nicht zu lange zögern, ihre rechtlichen Möglichkeiten von einem spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen.
Stand: 03.09.2025
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