Die grobe Fahrlässigkeit ist ein Begriff, der im deutschen Rechtssystem eine bedeutende Rolle spielt. Sie beschreibt ein Verhalten, bei dem die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird.
Was versteht man unter Grober Fahrlässigkeit?
Die grobe Fahrlässigkeit unterscheidet sich von der leichten Fahrlässigkeit, da sie eine erhebliche Verletzung der Sorgfaltspflicht darstellt. Der Handelnde hat in Fällen grober Fahrlässigkeit nicht beachtet, was in der gegebenen Situation jedem vernünftigen Menschen einleuchten sollte. Es handelt sich also um ein Verhalten, das weit über das hinausgeht, was man von einer durchschnittlichen Person in vergleichbaren Umständen erwarten würde.
Rolle der Groben Fahrlässigkeit bei der Haftung
Die grobe Fahrlässigkeit spielt eine wesentliche Rolle bei der Haftung für bestimmte Schäden in Deutschland. In vielen Fällen haften bestimmte Personen nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, nicht jedoch für leichte Fahrlässigkeit. Zum Beispiel:
Der Schuldner während des Gläubigerverzugs (§ 300 Absatz 1 BGB):Ein Schuldner kann nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt, während er sich im Verzug befindet.
Der Schenker gegenüber dem Beschenkten (§ 521 BGB):Bei Schenkungen haftet der Schenker nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, wenn der Beschenkte aufgrund der Schenkung einen Schaden erleidet.
Der Verleiher gegenüber dem Entleiher (§ 599 BGB):Auch hier greift die Haftung des Verleihers nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten.
Der Geschäftsführer ohne Auftrag bei Gefahrenabwehr (§ 680 BGB):Ein Geschäftsführer, der ohne Auftrag handelt, haftet nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, wenn er Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreift.
Der Finder einer Fundsache (§ 968 BGB):Auch bei Fundsachen ist die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.
Haftungsprivilegien und -freizeichnungen bei Grober Fahrlässigkeit
Es gibt jedoch Ausnahmen von den Haftungsbeschränkungen bei grober Fahrlässigkeit. In bestimmten Fällen greifen Haftungsprivilegien und -freizeichnungen nicht. Hier sind einige Beispiele:
Haftung für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten (§ 277 BGB):Personen, die in ihren eigenen Angelegenheiten handeln, können sich nicht auf grobe Fahrlässigkeit berufen, um ihre Haftung zu begrenzen.
Ausschluss der Haftung für grobes Unverschulden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 309 Nr.7b BGB):Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Haftung für grobe Fahrlässigkeit ausschließen, sind in der Regel unwirksam.
Haftungsbegrenzungen in Überweisungs- und Giroverträgen (§§ 676c Absatz 1, 676g Absatz 4 BGB):Auch hier gelten spezielle Regelungen, die die Haftung bei grober Fahrlässigkeit einschränken.
Grob fahrlässig handelnde Arbeitnehmer während ihrer Tätigkeit:Arbeitnehmer, die während ihrer Tätigkeit grob fahrlässig handeln, können für verursachte Schäden haftbar gemacht werden.
Grobe Fahrlässigkeit bei Versicherungen
Im Versicherungsbereich spielt die grobe Fahrlässigkeit ebenfalls eine wichtige Rolle. Nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist ein Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung befreit, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Einige Beispiele für grob fahrlässiges Verhalten, bei dem der Versicherungsschutz entfällt, sind:
Aufbewahren einer Handtasche mit wertvollem Inhalt unter einem Autositz:Dies kann als grob fahrlässig angesehen werden, da die Gefahr eines Diebstahls offensichtlich ist.
Sich während der Autofahrt nach einer heruntergefallenen brennenden Zigarette bücken:Dies stellt eine erhebliche Ablenkung dar und erhöht das Risiko eines Unfalls.
Mit einem Handy ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt telefonieren:Dies verstößt gegen die Verkehrsregeln und kann als grob fahrlässiges Verhalten betrachtet werden.
Brennende Kerzen 15 bis 20 Minuten unbeaufsichtigt in einem Raum lassen:Dies stellt ein erhebliches Brandrisiko dar und wird als grob fahrlässiges Verhalten betrachtet.
Grobe Fahrlässigkeit im Arbeitsrecht
Auch im Arbeitsrecht spielt die grobe Fahrlässigkeit eine Rolle. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, im Krankheitsfall Entgeltfortzahlung zu leisten, wenn die Erkrankung grob fahrlässig herbeigeführt wurde (§§ 617 Absatz 1 BGB, 3 EFzG).
Rechtsverluste oder -nachteile durch Grobe Fahrlässigkeit
Die grob fahrlässige Unkenntnis bestimmter Umstände kann zu erheblichen Rechtsverlusten oder -nachteilen führen. Dies gilt beispielsweise bei:
Mängeln an einer Kauf- oder Mietsache (§§ 442 Absatz 1, 536b Absatz 1 BGB):Wenn der Käufer oder Mieter grob fahrlässig handelt und dabei Mängel übersieht, kann er seine Rechte aus dem Kauf- oder Mietvertrag verlieren.
Rechts- und Sachmängeln bei einer Schenkung (§§ 523 Absatz 2, 524 Absatz 2 BGB):Auch hier können grobe Fahrlässigkeit und Unkenntnis zu rechtlichen Problemen führen.
Schadensersatzleistung an einen Nichtberechtigten (§ 851 BGB):Wenn jemand grob fahrlässig Schadensersatz an eine Person leistet, die dazu nicht berechtigt ist, kann dies zu finanziellen Verlusten führen.
Der Gutgläubige Erwerb und Grobe Fahrlässigkeit
Der gutgläubige Erwerb einer Sache ist nach § 932 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausgeschlossen, wenn der Erwerber infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Dies bedeutet, dass ein Erwerber, der grob fahrlässig handelt und nicht prüft, ob der Veräußerer das Recht hat, die Sache zu verkaufen, seinen Anspruch auf Eigentum an der Sache verlieren kann.