Das Ende der Abgabefrist für die Steuererklärung ist für viele Steuerpflichtige ein jährlich wiederkehrender, oftmals aufgeschobener Termin. Doch was geschieht, wenn diese Frist nicht nur geringfügig überschritten, sondern die Abgabe gänzlich versäumt wird? Ein Schreiben vom Finanzamt flattert einem dann relativ schnell ins Haus. Ein solches Schreiben, oft als „Erinnerung an die Abgabe der Steuererklärung“ betitelt, sollte jedoch keinesfalls als bloße freundliche Geste missverstanden werden. Es ist der erste Schritt in einem gestuften Verfahren der Finanzverwaltung und kann sowohl zu finanzielle Sanktionen als auch zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens führen. Die rechtlichen Grundlagen hierfür sind in der Abgabenordnung (AO) geregelt und werden von den Finanzbehörden in der Praxis konsequent angewendet.
Von der Erinnerung zur Androhung von Zwangsmitteln
Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung ergibt sich für einen Großteil der Bürger aus den Vorschriften der Einzelsteuergesetze, wie etwa dem Einkommensteuergesetz (EStG), in Verbindung mit § 149 der Abgabenordnung (AO). Wird die gesetzliche oder eine individuell verlängerte Frist versäumt, versendet das zuständige Finanzamt in der Regel zunächst ein Erinnerungsschreiben. Dieses setzt eine neue, meist kurze Frist zur Abgabe der Erklärung. Reagiert der Steuerpflichtige auch auf dieses Schreiben nicht, verschärft die Behörde den Ton.
Der nächste Schritt ist typischerweise die Androhung eines Zwangsgeldes gemäß § 328 AO. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes Zwangsmittel, dessen Zweck es ist, die Vornahme einer Handlung – in diesem Fall die Abgabe der Steuererklärung – zu erzwingen. Es stellt rechtlich noch keine Strafe dar, sondern ein Beugemittel. Die Höhe des Zwangsgeldes wird vom Finanzamt nach eigenem Ermessen festgesetzt, darf jedoch nach § 329 AO den Betrag von 25.000 Euro nicht übersteigen. In der Androhung wird eine letzte Frist gesetzt. Verstreicht auch diese ergebnislos, wird das angedrohte Zwangsgeld durch einen separaten Verwaltungsakt festgesetzt und ist vom Steuerpflichtigen zu zahlen. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass die Zahlung des Zwangsgeldes die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung nicht aufhebt. Das Finanzamt kann dieses Mittel so lange wiederholen und in der Höhe steigern, bis die Erklärung eingereicht wird.
Schätzung der Besteuerungsgrundlagen als Druckmittel
Bleibt der Steuerpflichtige weiterhin untätig, verfügt das Finanzamt über ein weiteres, sehr wirksames Instrument: die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO. Ist die Behörde nicht in der Lage, die für die Besteuerung relevanten Tatsachen zu ermitteln, weil der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachkommt, darf sie die Besteuerungsgrundlagen schätzen. Dies umfasst beispielsweise die Höhe der Einkünfte, der Betriebsausgaben oder der Werbungskosten.
In der Praxis bedeutet eine Schätzung für den Betroffenen fast ausnahmslos Nachteile. Die Finanzbeamten sind gehalten, eine sogenannte „Sicherheitsschätzung“ vorzunehmen. Das bedeutet, dass sie sich bei der Höhe der zu versteuernden Einkünfte eher am oberen Rand des denkbaren Rahmens orientieren. Abzüge, steuermindernde Tatsachen oder außergewöhnliche Belastungen, die dem Finanzamt nicht bekannt sind, finden bei einer solchen Schätzung naturgemäß keine Berücksichtigung. Das Ergebnis ist ein Schätzungsbescheid, der in der Regel eine deutlich höhere Steuerschuld ausweist, als sie bei einer ordnungsgemäßen Erklärung angefallen wäre.
Dieser Bescheid ist ein vollumfänglich wirksamer Steuerbescheid, der eine fällige Zahlungsverpflichtung begründet. Er wird zudem häufig mit dem „Vorbehalt der Nachprüfung“ gemäß § 164 AO versehen, was dem Finanzamt die Möglichkeit offenlässt, den Bescheid jederzeit zu ändern, sollte es später zu neuen Erkenntnissen gelangen. Gemäß § 149 Abs. 1 Satz 4 AO lässt die Festsetzung der Steuer im Schätzungswege die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung unberührt. Der Steuerpflichtige ist also auch nach Erhalt eines Schätzungsbescheides weiterhin zur Einreichung seiner Erklärung verpflichtet. Nur durch die Abgabe kann er die in der Regel zu hohe Schätzung korrigieren und eine realitätsgerechte Steuerfestsetzung erreichen.
Wann ist ein Verspätungszuschlag zu entrichten?
Unabhängig von Zwangsgeldern oder einer Steuerschätzung droht eine weitere finanzielle Belastung: der Verspätungszuschlag. Dessen Festsetzung ist in § 152 AO geregelt. Seit einer Gesetzesänderung ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in vielen Fällen nicht mehr eine Ermessensentscheidung des Finanzamts, sondern eine zwingende gesetzliche Folge.
Wird eine Steuererklärung, für die eine gesetzliche Abgabepflicht besteht, nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Besteuerungsjahres (oder des Besteuerungszeitraums) eingereicht, ist von Gesetzes wegen ein Verspätungszuschlag festzusetzen. Für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung beträgt der Zuschlag 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, abzüglich der Vorauszahlungen und Anrechnungsbeträge. Der Gesetzgeber hat hierbei einen Mindestbetrag von 25 Euro pro verspätetem Monat vorgesehen. Der Verspätungszuschlag wird zusammen mit der Steuer im Steuerbescheid festgesetzt und ist ein rein repressives Instrument zur Sanktionierung der verspäteten Abgabe. Er kann auch dann festgesetzt werden, wenn es durch die verspätete Abgabe zu einer Steuererstattung kommt. Die einzige Möglichkeit, dem Zuschlag zu entgehen, ist die rechtzeitige Beantragung und Bewilligung einer Fristverlängerung oder das Vorliegen von entschuldbaren Gründen für die Verspätung, welche jedoch vom Steuerpflichtigen nachzuweisen sind.
Wann liegt Steuerhinterziehung durch Unterlassen vor?
Die schwerwiegendste Konsequenz der Nichtabgabe einer Steuererklärung liegt im Bereich des Steuerstrafrechts. Wer gegenüber der Finanzbehörde pflichtwidrig unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen macht und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil erlangt, begeht eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Das Gesetz stellt diesem aktiven Tun jedoch eine zweite Begehungsform gleich: die Steuerhinterziehung durch Unterlassen.
Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO macht sich ebenfalls strafbar, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch eine Steuerverkürzung bewirkt. Die Nichtabgabe einer geschuldeten Steuererklärung erfüllt genau diesen Tatbestand. Der Steuerpflichtige lässt die Behörde durch sein passives Verhalten – das Unterlassen – pflichtwidrig im Unklaren über die Grundlagen, die für die Festsetzung einer Steuer notwendig wären. Der Taterfolg, die Steuerverkürzung, tritt ein, weil die Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden kann.
Für die Strafbarkeit ist auf subjektiver Seite Vorsatz erforderlich. Das bedeutet, der Steuerpflichtige muss die Verwirklichung des Tatbestandes zumindest billigend in Kauf nehmen (sogenannter Eventualvorsatz). Dies wird in der Praxis der Finanzgerichte und Strafverfolgungsbehörden regelmäßig angenommen, wenn ein Steuerpflichtiger weiß, dass er potenziell steuerpflichtige Einkünfte erzielt hat, und sich bewusst dafür entscheidet, keine Erklärung abzugeben. Der Gedanke, „es wird schon gut gehen“ oder „das Finanzamt wird sich schon melden“, schützt nicht vor dem Vorwurf des Vorsatzes. Die Finanzverwaltung hat in den letzten Jahren ihre Praxis verschärft und leitet bei beharrlicher Nichtabgabe, insbesondere wenn hohe Einkünfte zu vermuten sind, sehr viel konsequenter als früher ein Steuerstrafverfahren ein. Dieses kann mit empfindlichen Geldstrafen oder in schweren Fällen sogar mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden. Selbst die Einleitung eines solchen Verfahrens allein stellt bereits eine enorme Belastung dar.
Wann empfiehlt sich eine strafbefreiende Selbstanzeige?
Erhält ein Steuerpflichtiger eine Mahnung oder gar die Androhung von Zwangsmitteln, ist dringend anzuraten, umgehend zu handeln. Dies bedeutet in erster Linie, die ausstehende Steuererklärung schnellstmöglich zu erstellen und beim Finanzamt einzureichen. Sollte dies aus bestimmten Gründen kurzfristig nicht möglich sein, ist eine proaktive Kommunikation mit dem zuständigen Sachbearbeiter im Finanzamt oft hilfreich, um eine letzte kurze Fristverlängerung zu erwirken und die Bereitschaft zur Erfüllung der Pflichten zu signalisieren.
Steht bereits der Vorwurf einer Steuerhinterziehung im Raum oder ist ein Strafverfahren noch nicht eingeleitet worden, kann die sogenannte strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO eine Rettungsmöglichkeit sein. Gibt der Steuerpflichtige die Erklärung vollständig und inhaltlich korrekt ab, bevor die Tat von der Behörde entdeckt wurde und bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist, kann dies zur Straffreiheit führen. Die Anforderungen an eine wirksame Selbstanzeige sind jedoch hoch und formal streng. Insbesondere die Vollständigkeit aller Angaben zu sämtlichen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart ist eine zwingende Voraussetzung.
Bei Unsicherheiten über das richtige Vorgehen oder bei bereits eingeleiteten Maßnahmen ist die
Beratung durch einen auf das Steuerstrafrecht spezialisierten Rechtsanwalts oder Steuerberaters unumgänglich, um die Situation nicht weiter zu verschlimmern und die bestmögliche Verteidigungsstrategie zu entwickeln.