Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund des sog. Lockdowns in der ersten Jahreshälfte 2020 wegen der Corona-Pandemie.
Die Klägerin betreibt ein Fitnessstudio in A.
Der Betrieb der Klägerin ist regelmäßig täglich geöffnet.
Die Klägerin unterhält bei dem Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung mit Versicherungsbeginn am 01.03.2020 und Vertragsablauf am 28.02.2021. Als Tagesentschädigung ist ein Betrag von 3.000 € bis zu einer Dauer von 60 Schließungstagen vereinbart. Die Beklagte hat die streitgegenständliche Versicherung mit Schreiben vom 22.10.2020 zum 28.02.2021 gekündigt.
Dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag liegen u.a. die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung zum Stand 01.01.2019 (im Folgenden: AVB-BS) sowie die Besonderen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung zum Stand 01.01.2019 (im Folgenden: „BBR-BS“) zugrunde.
§ 1 AVB-BS unter der Überschrift „Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren“ lautet auszugsweise wie folgt:
„1. Versicherungsumfang
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG [in einer Fußnote heißt es: „Auf Wunsch werde[n] Auszüge zu den genannten Gesetzestexten zur Verfügung gestellt“]) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;
[…]
2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten
[es folgt eine Auflistung von Krankheiten in Spiegelstrichen, bei der die Krankheit COVID-19 nicht enthalten ist und jedenfalls auch folgende Krankheiten gegenüber der Auflistung in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-4 IfSG in der im Zeitraum zwischen 25.07.2017 und 29.02.2020 geltenden Fassung nicht enthalten sind: humane spongiforme Enzephalopathie (außer familiär-hereditärer Formen); Keuchhusten; Mumps; Poliomyelitis; Röteln (einschließlich Rötelnembryopathie)]
b) Krankheitserreger
[es folgt eine Auflistung von Krankheitserregern in Spiegelstrichen, bei der das neuartige Corona-Virus SARS-CoV-2 nicht enthalten ist und bei der gegenüber der Auflistung in § 7 Abs. 1 und 3 IfSG in der im Zeitraum zwischen 25.07.2017 und 29.02.2020 geltenden Fassung jedenfalls folgende Krankheitserreger nicht enthalten sind: Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis; Mumpsvirus; Norovirus; Varizella-Zoster-Virus]“
§ 2 AVB-BS lautet unter der Überschrift „Umfang der Entschädigung“ auszugsweise wie folgt:
„3. Entschädigungsberechnung
Der Versicherer ersetzt im Falle
a) einer Schließung nach §1 Nr. 1 a) den Schaden in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur vereinbarten Dauer. Tage, an denen der Betrieb auch ohne die behördliche Schließung geschlossen wäre, zählen nicht als Schließungstage.
[…]“
§ 3 AVB-BS unter der Überschrift „Ausschlüsse“ lautet auszugsweise wie folgt:
„4. Krankheiten und Krankheitserreger
Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.“
§ 21 AVB-BS unter der Überschrift Wegfall der Entschädigungspflicht aus besonderen Gründen lautet auszugsweise wie folgt:
„1. Öffentlich-rechtliches Entschädigungsrecht
a) Ein Anspruch auf Entschädigung besteht insoweit nicht, als Schadensersatz aufgrund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts beansprucht werden kann (z.B. nach den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, den Vorschriften über Amtshaftung oder Aufopferung oder EU-Vorschriften). Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, unverzüglich entsprechende Anträge zu stellen. Der Versicherungsnehmer kann jedoch verlangen, dass ihm der Versicherer insoweit ein zinsloses Darlehen bis zur Höhe einer nach §§ 2 und 7 berechneten Versicherungsleistung zur Verfügung stellt
[…]“
Am 15.03.2020 wurde die Allgemeinverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt A vom 13.03.2020 einer Mitarbeiterin der Klägerin übergeben und die Klägerin durch einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes aufgefordert, das Fitnessstudio sofort zu schließen, was diese dann auch am gleichen Tag veranlasste.
Hiernach war es mit sofortiger Wirkung und Geltung bis 19.04.2020 im gesamten Stadtgebiet A u.a. untersagt,
„alle organisierten Veranstaltungen, insbesondere Vergnügungen jeglicher Art … durchzuführen oder hieran teilzunehmen. Dies bezieht sich sowohl auf solche unter freiem Himmel als auch in geschlossenen Räumen. Zu den Veranstaltungen, Vergnügungen …. gehören insbesondere Tanz- und Sportveranstaltungen…“
Am 17.03.2020 machte die Stadtverwaltung A die „3. Allgemeinverfügung der kreisfreien Stadt A“ vom 17.03.2020 bekannt, in deren Ziffer 1. es auszugsweise heißt:
„Schließung von Einrichtungen und Angeboten
Für den Publikumsverkehr zu schließen sind die folgenden Einrichtungen und Angebote, unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft oder Eigentumsverhältnissen;
– […]
– Fitness-Studios,… “
Die Allgemeinverfügung stützt sich auf §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG und wurde mit Geltung ab Bekanntmachung und einer Geltungsdauer bis zum 19.04.2020 erlassen.
In § 5 ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO in der vom 27.03.2020 bis 19.04.2020 geltenden Fassung heißt es auszugsweise
„Schließung von Einrichtungen und Angeboten
„(1) Für den Publikumsverkehr sind die folgenden Einrichtungen und Angebote unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft oder den Eigentumsverhältnissen zu schließen:
1. […]
2. Fitnessstudios …“
Die Bestimmung in § 5 Abs. 1 ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO änderte sich bezüglich Fitnessstudios in dem zitierten Umfang auch in der bis zum 12.05.2020 geltenden Fassung nicht.
Gemäß § 12 Abs. 1 und 3 der ThürSARS-CoV-2-MaßnFortentwVO in der Fassung vom 12.05.2020 wurde es den Fitnessstudios erlaubt, erst ab dem 1. Juni 2020 wieder zu öffnen.
Die ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO und die ThürSARS-CoV-2-MaßnFortentwVO stützt sich in ihren jeweiligen Eingangsformeln auf Bestimmungen des IfSG.
Die Klägerin öffnete ihren Betrieb wieder am 22.05.2020, nachdem dies aufgrund der positiven Entwicklung der Infektionszahlen vorzeitig erlaubt worden war.
Mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter vom 18.05.2020 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung einer Gesamtentschädigung in Höhe von 180.000,00 € bis zum 31.05.2020 auf.
Die Beklagte hatte bereits zuvor mit Schreiben vom 29.04.2020 eine Eintrittspflicht in der Betriebsschließungsversicherung abgelehnt und auch mit Schreiben vom 18.05.2020 hieran festgehalten.
Die Klägerin behauptet, sie habe die streitgegenständliche Versicherung gerade im Hinblick auf das Corona-Virus abgeschlossen. Sie ist der Auffassung, es liege eine bedingungsgemäße Betriebsschließung vor.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 180.000,00 € nebst 9% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2020 zu zahlen.
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