Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund des. sog. Lockdowns in der ersten Jahreshälfte 2020 wegen der Corona-Pandemie.
Die Klägerin betreibt eine Trampolin-Halle. Der Betrieb der Klägerin ist außer an Feiertagen montags regelmäßig geschlossen.
Die Klägerin unterhält bei dem Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung mit Versicherungsbeginn am 28.02.2020 und Vertragsablauf am 27.02.2021. Als Tagesentschädigung ist ein Betrag von 5.000,00 € bis zu einer Dauer von 30 Schließungstagen vereinbart.
Dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag liegen u.a. die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung zum Stand 01.01.2019 (im Folgenden: AVB-BS) sowie die Besonderen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung zum Stand 01.01.2019 (im Folgenden: „BBR-BS“) zugrunde.
§ 1 AVB-BS unter der Überschrift „Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren“ lautet auszugsweise wie folgt:
„1. Versicherungsumfang
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG [in einer Fußnote heißt es: „Auf Wunsch werde[n] Auszüge zu den genannten Gesetzestexten zur Verfügung gestellt“]) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;
[…]
2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten
[es folgt eine Auflistung von Krankheiten in Spiegelstrichen, bei der die Krankheit COVID-19 nicht enthalten ist und jedenfalls auch folgende Krankheiten gegenüber der Auflistung in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-4 IfSG in der im Zeitraum zwischen 25.07.2017 und 29.02.2020 geltenden Fassung nicht enthalten sind: humane spongiforme Enzephalopathie (außer familiär-hereditärer Formen); Keuchhusten; Mumps; Poliomyelitis; Röteln (einschließlich Rötelnembryopathie)]
b) Krankheitserreger
[es folgt eine Auflistung von Krankheitserregern in Spiegelstrichen, bei der das neuartige Corona-Virus SARS-CoV-2 nicht enthalten ist und bei der gegenüber der Auflistung in § 7 Abs. 1 und 3 IfSG in der im Zeitraum zwischen 25.07.2017 und 29.02.2020 geltenden Fassung jedenfalls folgende Krankheitserreger nicht enthalten sind: Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis; Mumpsvirus; Norovirus; Varizella-Zoster-Virus]“
§ 2 AVB-BS lautet unter der Überschrift „Umfang der Entschädigung“ auszugsweise wie folgt:
„3. Entschädigungsberechnung
Der Versicherer ersetzt im Falle
a) einer Schließung nach §1 Nr. 1 a) den Schaden in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur vereinbarten Dauer. Tage, an denen der Betrieb auch ohne die behördliche Schließung geschlossen wäre, zählen nicht als Schließungstage.
[…]“
§ 3 AVB-BS unter der Überschrift „Ausschlüsse“ lautet auszugsweise wie folgt:
„4. Krankheiten und Krankheitserreger
Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.“
§ 21 AVB-BS unter der Überschrift Wegfall der Entschädigungspflicht aus besonderen Gründen lautet auszugsweise wie folgt:
„1. Öffentlich-rechtliches Entschädigungsrecht
a) Ein Anspruch auf Entschädigung besteht insoweit nicht, als Schadensersatz aufgrund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts beansprucht werden kann (z.B. nach den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, den Vorschriften über Amtshaftung oder Aufopferung oder EU-Vorschriften). Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, unverzüglich entsprechende Anträge zu stellen. Der Versicherungsnehmer kann jedoch verlangen, dass ihm der Versicherer insoweit ein zinsloses Darlehen bis zur Höhe einer nach §§ 2 und 7 berechneten Versicherungsleistung zur Verfügung stellt
[…]“
Im Produktinformationsblatt des Beklagten zur Betriebsschließungsversicherung heißt es unter der Überschrift „Was ist versichert“ auszugsweise wie folgt:
„Die Betriebsschließungsversicherung wegen Infektionsgefahr leistet, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz = IfSG) bei Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger
- den versicherten Betrieb schließt;
- Tätigkeitsverbote – auch für einzelne beschäftigte Personen – verhängt;
[…]“
Eine Broschüre des Beklagten stellt insbesondere darauf ab, dass mit der Betriebsschließungsversicherung des Beklagten die Gefahr abgesichert werden kann, dass Keime und Erreger „in einen Betrieb“ gelangen.
In den Fachinformationen des Beklagten (Anlage WH 11, Bl. 260 ff. der Akte), die dem Versicherungsvermittler, der den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag vermittelte, übermittelt worden waren, heißt es im Punkte III. 2.2 unter der Überschrift „Empfehlung zur Berechnung der zu versichernden Tagesentschädigung“ u.a.:
„Der Kunde wählt die zu versichernde Tagesentschädigung individuell auf Basis seiner Betriebsgröße aus. Sie sollte höchstens 110% des Betrages ausmachen, der an Geschäftskosten und Gewinn auf einen Tagesumsatz entfällt. Zu beachten ist hierbei, dass bei der […] der Nachweis über den tatsächlichen Bedarf der gewählten Tagesentschädigung entfällt – dies gilt selbstverständlich auch im Schadensfall.“
Am 19.03.2020 machte die Stadt […] die Allgemeinverfügung „zu weiteren kontaktreduzierenden Maßnahmen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz)“ vom 18.03.2020 bekannt, in deren Ziffer 4 es auszugsweise heißt:
„Folgende Einrichtungen, Begegnungsstätten und Angebote sind zu schließen bzw. einzustellen:
a) […]
b) Alle Messen, Ausstellungen, Freizeit- und Tierparks und Anbieter von Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen), Spezialmärkte und ähnliche Einrichtungen Trägerschaft oder von Eigentumsverhältnissen
[…]“
Die Allgemeinverfügung stützt sich auf §§ 16 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 1 S. 2 IfSG und wurde mit einer Geltungsdauer bis zum 19.04.2020 erlassen.
Mit Bescheid vom 31.03.2020 untersagte der Oberbürgermeister der Stadt […] der Klägerin den Betrieb ihres Trampolin-Parks ab dem 16.03.2020; als Rechtsgrundlage wird § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG angegeben.
In § 3 Abs. 1 CoronaSchVO-NW vom 22.03.2020 in der vom 23.03.2020 bis 30.03.2020 geltenden Fassung heißt es auszugsweise:
„Der Betrieb der folgenden Einrichtungen und Begegnungsstätten sowie die folgenden Angebote sind untersagt:
1. […]
2. Messen, Ausstellungen, Freizeit- und Tierparks, Angebote von Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen), Spezialmärkte und ähnliche Einrichtungen,
[…]“
Die Bestimmung in § 3 Abs. 1 CoronaSchVO-NW änderte sich in dem zitierten Umfang auch in der bis zum 26.04.2020 geltenden Fassung nicht.
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