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Corona-Pandemie: Fitnessstudios bleiben in Thüringen geschlossen

Firmen / Gewerbe | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Mit Beschlüssen vom 13. und vom 15. November 2020 hat es das Thüringer Oberverwaltungsgericht in vier Eilverfahren abgelehnt, die Schließung von Fitnessstudios aufgrund der aktuellen Corona-Verordnung des Landes vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Die Verfahren betrafen Fitnessstudios in Jena, Gera, Saalfeld und Apolda. Im Fall des Fitnessstudios in Apolda hatte sich der Betreiber im Mai 2020 in einem Normenkontrollverfahren erfolgreich gegen die seinerzeit zur Bekämpfung der Pandemie angeordnete Schließung seines Betriebes gewandt (Az: 3 EN 341/20).

In den Verfahren wurde zur Begründung der Eilanträge insbesondere vorgetragen, dass sich ein signifikantes durch den Betrieb von Fitnessstudios ausgelöstes Infektionsgeschehen nicht nachweisen lasse.

Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn der Verordnungsgeber Fitnessstudios schließe, körpernahe Dienstleistungen im Bereich der Kosmetik, der Massage und Friseursalons und bestimmte sportliche Betätigungen dagegen zulasse. Ferner wurde die mangelnde parlamentarische Billigung gerügt.

Der zuständige 3. Senat hat nun entschieden, dass der Ausgang des Normenkontrollantrags in der Hauptsache zwar offen sei; eine vom Senat vorzunehmende Folgenabwägung führe aber nicht zu einer einstweiligen Aufhebung der beanstandeten Regelung.

Auch wenn es zweifelhaft sei, ob die infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen wegen der erheblichen Grundrechtseingriffe allein dem Verordnungsgeber überlassen werden könnten, anstatt ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers zu fordern, könne im Verfahren des vorläufigen (Eil-) Rechtsschutzes noch nicht von einer verfassungswidrigen Gesetzeslage ausgegangen werden. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass der Bundestag und der Landtag sich in vielfacher Weise mit den Maßnahmen billigend befasst haben.

Die angegriffene Verordnung ziele generell und mit ihren einzelnen Maßnahmen insgesamt auf eine Beschränkung physisch-sozialer Kontakte, also nicht nur auf eine Reduzierung der Gefahr von Infektionsübertragungen bei Kontakten durch Hygienemaßnahmen und durch die Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten. Nach Auffassung des Senats spreche einiges dafür, dass die gewollte Kontaktreduzierung („Wellenbrecher“) geeignet sei, die Pandemie einzudämmen, und dass die Schließung von Fitnessstudios als Begegnungsort von Menschen geeignet, erforderlich und angemessen ist, um dieses Ziel zu erreichen.

Der Senat behält es der Entscheidung im späteren Hauptsacheverfahren vor, ob die grundsätzliche Unterscheidung des Verordnungsgebers hinsichtlich des Umfangs der Kontaktbeschränkungen zwischen dem Bildungs- und allgemeinen Wirtschaftsbereich sowie grundrechtlich besonders sensiblen Räumen - wie der Versammlungs- und Religionsfreiheit - auf der einen Seite und dem Bereich freizeitlicher Betätigung auf der anderen Seite in Zeiten drängenden infektionsschutzrechtlichen Handlungsbedarfs und der nachvollziehbaren Zielstellung, nicht das gesamte öffentliche Leben zum Erlahmen zu bringen (sog. „Shutdown bzw. Lockdown“), zu differenzieren, den Anforderungen des Gleichheitssatzes des Art. 3 Grundgesetz entspricht.

Allerdings werfe die Schließung von Fitnessstudios im Zusammenhang mit den weiteren den Sportbereich betreffenden Bestimmungen gleichheitsrechtliche Zweifel auf, soweit der Individualsport ohne Körperkontakt (wie Radsport, Reiten oder Golf) unter bestimmten Bedingung möglich bleibe. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, warum eine sportliche Betätigung ohne Körperkontakte in Fitnessstudios nicht möglich sein solle, bleibe die amtliche Begründung schuldig. Allerdings unterliege der Handlungsrahmen des Verordnungsgebers aufgrund der besonderen, zeitlich drängenden Umstände bei seinen Entscheidungen im Hinblick auf den Maßstab des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht dem strengen Gebot innerer Folgerichtigkeit. Der Senat fordert aber den Verordnungsgeber auf, bei seinen weiteren Entscheidungen über infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung die Differenzierung im Bereich sportlicher Betätigung hinreichend sachlich zu begründen und sie gegebenenfalls zu modifizieren. Da diese Entscheidung - anders als im Mai 2020 - nicht nur auf eine Öffnung der Fitnessstudios hinauslaufen müsse, sondern angesichts der dynamischen Entwicklung des Pandemiegeschehens auch auf eine Schließung weiterer Bereiche des öffentlichen Lebens führen könne, könnten die Zweifel hier nicht dazu führen, den Anträgen stattzugeben.

Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung seien die staatlichen Hilfsmaßnahmen für die betroffenen Betriebe besonders zu gewichten. Im Übrigen gelte, dass der Schutz der grundrechtlichen Positionen der Unternehmen kein Vorrang gegenüber dem vom Staat verfolgten Schutz von Leib, Leben und Gesundheit der Bevölkerung zukomme.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.


OVG Thüringen, 15.11.2020 - Az: 3 EN 729/20 (13.11.2020), 3 EN 731/20, 3 EN 745/20, 3 EN 748/20

Quelle: PM des OVG Thüringen

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