Die Prüfung, Verhandlung und Unterzeichnung von Verträgen sind für Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Doch allzu oft führen Unsicherheiten in diesem Prozess zu unnötigen Verzögerungen und Risiken. In diesem Artikel werden wir einen sechsstufigen Leitfaden vorstellen, der Unternehmen dabei hilft, Vertragsprüfungen und -verhandlungen effektiver und transparenter zu gestalten. Dieser Leitfaden ist insbesondere für Unternehmen in Deutschland relevant, da er auf die dortige Rechtslage zugeschnitten ist.
Schritt 1: Summarische Prüfung
Bevor in die Details eines Vertrags eingetaucht wird, ist es wichtig, eine summarische Prüfung durchzuführen. Zunächst sollte daher festgestellt werden, ob es sich um einen Standardvertrag oder einen Nicht-Standardvertrag handelt. Ein Standardvertrag ist ein Vertrag, der von den in Ihrem Unternehmen üblichen Standards abweicht, wie beispielsweise von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs). Wenn es sich um einen Nicht-Standardvertrag handelt, ist besondere Aufmerksamkeit erforderlich, da dieser möglicherweise größere Risiken birgt. Standardverträge bergen dagegen in der Regel ein kalkulierbareres Risiko.
Aufteilung und Prüfung nach KlauselartenNachdem der Vertragstyp ermittelt wurde, ist es ratsam, den Vertrag nach verschiedenen Klauselarten zu prüfen:
a. Business-relevante KlauselnBegonnen werden sollte mit der Prüfung der Klauseln, die für das Geschäft von besonderer Bedeutung sind. Dies könnten beispielsweise Zahlungsziele, Lieferfristen oder Vertraulichkeitsvereinbarungen sein. Es sollte sichergestellt werden, dass diese Klauseln den geschäftlichen Anforderungen entsprechen und keine unangemessenen Risiken bergen.
b. Rechtlich relevante KlauselnNeben den geschäftsrelevanten Klauseln sollten auch die rechtlich relevanten Klauseln im Vertrag identifiziert werden. In diese Kategorie fallen insbesondere Regelungen zur Gewährleistung (§§ 434 ff. BGB), Haftungsbeschränkungen, Regelungen zum Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB), Geheimhaltungsverpflichtungen (NDA-Klauseln), Gerichtsstandsvereinbarungen (§§ 38 ff. ZPO) und Rechtswahlklauseln. Es ist zu überprüfen, ob diese Klauseln den geltenden Gesetzen und Vorschriften entsprechen und ob diese für das Unternehmen akzeptabel sind.
Insbesondere im B2B-Verkehr ist die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB zu beachten, auch wenn hier nach § 310 Abs. 1 BGB erleichterte Bedingungen im Vergleich zum Verbraucherrecht gelten. Dennoch können Klauseln, die den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, auch im unternehmerischen Verkehr unwirksam sein (§ 307 BGB).
c. Gemischte Business-/Rechtlich relevante KlauselnEinige Klauseln im Vertrag können sowohl geschäftsrelevante als auch rechtlich relevante Aspekte abdecken. Hierzu gehören beispielsweise Lizenzvereinbarungen, die sowohl den Umfang der Nutzungsrechte (Business) als auch die Haftung für Rechtsmängel (Recht) regeln, oder Vertragsstrafenregelungen (§§ 339 ff. BGB), die eine pauschalierte Form des Schadensersatzes bei bestimmten Vertragsverletzungen vorsehen. Es muss sichergestellt werden, dass diese gemischten Klauseln sowohl geschäftlichen als auch rechtlichen Anforderungen gerecht werden.
Schritt 2: Kommunikation an die Fachabteilungen (Inhouse)
Ein Vertrag ist niemals nur eine Angelegenheit der Geschäftsführung oder der Rechtsabteilung. Die operative Umsetzung und die Auswirkungen der vertraglichen Regelungen betreffen eine Vielzahl von Abteilungen im Unternehmen. Nach der summarischen Prüfung ist es wichtig, die relevanten Fachabteilungen in Ihrem Unternehmen zu informieren. Jede Abteilung hat möglicherweise unterschiedliche Interessen und Bedenken in Bezug auf den Vertrag. Die Einkaufsabteilung wird den Fokus auf Preise und Lieferketten legen, die IT-Abteilung auf Datenschutz und technische Spezifikationen, die Finanzabteilung auf Zahlungsziele und steuerliche Aspekte und die Produktionsabteilung auf Qualitätsstandards und Lieferfristen.
Die Kommunikation an die Fachabteilungen muss strukturiert erfolgen. Es genügt nicht, den Vertragsentwurf kommentarlos weiterzuleiten. Stattdessen sollten bereits identifizierte relevante Klauseln gezielt den jeweiligen Abteilungen zur Prüfung vorgelegt werden. Klare Fragestellungen und Fristsetzungen sind hierbei essenziell, um den Prozess effizient zu gestalten. Ziel ist es, ein umfassendes Bild der internen Anforderungen und potenziellen Risiken aus allen Blickwinkeln des Unternehmens zu erhalten. Diese Phase dient dazu, sicherzustellen, dass der Vertrag nicht nur rechtlich einwandfrei, sondern auch praktisch umsetzbar ist und den internen Prozessen und Zielen nicht zuwiderläuft.
Schritt 3: Vorschläge sammeln und Gegenvorschlag erarbeiten
Nachdem die Fachabteilungen informiert wurden, ist es Zeit, Vorschläge zu sammeln und einen Gegenvorschlag zu erarbeiten. Diese Vorschläge sollten alle wichtigen Punkte des Vertrags abdecken, die für das Unternehmen von Bedeutung sind.
Die Aufgabe der federführenden Stelle – sei es die Rechtsabteilung, ein Vertragsmanager oder die Geschäftsführung – ist es nun, die teilweise unterschiedlichen Interessen und Anmerkungen zu bündeln und in einen kohärenten Gegenvorschlag zu überführen. Hierbei müssen möglicherweise interne Widersprüche aufgelöst und Prioritäten gesetzt werden. Nicht jeder Änderungswunsch einer Fachabteilung kann oder sollte eins zu eins übernommen werden. Es bedarf einer Abwägung, welche Punkte für das Unternehmen unverhandelbar sind (sog. „Deal Breaker“) und wo Kompromissbereitschaft signalisiert werden kann. Daher ist es wichtig, dass diese Vorschläge in enger Abstimmung mit den Fachabteilungen entwickelt werden, um sicherzustellen, dass alle Interessen so gut wie möglich vertreten sind.
Der zu erarbeitende Gegenvorschlag sollte nicht nur aus einer Liste von Änderungswünschen bestehen. Vielmehr empfiehlt es sich, konkrete Formulierungsvorschläge auszuarbeiten. Dies professionalisiert den Verhandlungsprozess und verlagert die Diskussion von einer reinen Problembeschreibung hin zu einer lösungsorientierten Auseinandersetzung. Der Gegenvorschlag sollte dabei stets das Ziel verfolgen, eine faire und für beide Seiten tragfähige Regelung zu finden, die eine langfristige und vertrauensvolle Geschäftsbeziehung ermöglicht.
Schritt 4: Gegenvorschlag an die andere Vertragspartei senden
Sobald der Gegenvorschlag erarbeitet wurde, sollte dieser an die andere Vertragspartei gesendet werden. Dies ist ein entscheidender Schritt, um den Verhandlungsprozess in Gang zu setzen. Der Gegenvorschlag sollte klar und präzise formuliert sein, um Missverständnisse zu vermeiden und von einem Anschreiben begleitet werden, das die wesentlichen Änderungsvorschläge kurz und sachlich erläutert. Eine transparente Kommunikation über die Gründe für die gewünschten Anpassungen kann das Verständnis auf der Gegenseite fördern und den Weg für konstruktive Verhandlungen ebnen. Mit dem Versand des Gegenvorschlags wird der Ball an den Verhandlungspartner zurückgespielt.
Schritt 5: Vertragsverhandlung zusammen mit einem Vertreter der jeweiligen Fachabteilung
Die Vertragsverhandlung ist der kritischste Schritt im Prozess der Vertragsprüfung und -unterzeichnung. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die Verhandlung von Personen geführt wird, die die Entscheidungsbefugnis haben. Nichts ist ineffizienter als Verhandlungen, bei denen die Teilnehmer für jede Entscheidung eine Rücksprache mit ihren Vorgesetzten halten müssen. In vielen Fällen ist es ratsam, zusätzlich einen Vertreter der jeweiligen Fachabteilung in die Verhandlung einzubeziehen, da dieser über das notwendige Fachwissen verfügt.
Eine gründliche Vorbereitung ist der Schlüssel zum Erfolg. Das Verhandlungsteam sollte klar definierte Ziele und eine Verhandlungsstrategie haben. Dazu gehört die Festlegung einer klaren Untergrenze (BATNA – Best Alternative to a Negotiated Agreement), also der besten Alternative, falls die Verhandlung scheitert.
Während der Verhandlung sollten alle relevanten Punkte des Vertrags erneut durchgegangen werden, um sicherzustellen, dass beide Parteien sich einig sind.
Hier sind kommunikative Fähigkeiten gefragt. Aktives Zuhören, das Stellen offener Fragen und das Bemühen, die Interessen und Beweggründe der Gegenseite zu verstehen, sind oft wirkungsvoller als eine konfrontative Haltung. Es geht darum, eine Win-Win-Situation zu schaffen, in der die Kerninteressen beider Parteien gewahrt bleiben. Alle erzielten Einigungen sollten präzise und unmissverständlich protokolliert und im finalen Vertragsdokument abgebildet werden, um spätere Unklarheiten zu vermeiden. Manchmal kann es sinnvoll sein, vor den eigentlichen Vertragsverhandlungen die Eckpunkte in einem „Letter of Intent“ (LoI) oder einem „Memorandum of Understanding“ (MoU) festzuhalten. Diese Dokumente sind zwar in der Regel rechtlich nicht bindend, schaffen aber eine gemeinsame Basis und ein Commitment für die weiteren Verhandlungen.
Schritt 6: Unterzeichnung durch die Geschäftsleitung
Nachdem eine endgültige Einigung erzielt und das Vertragsdokument finalisiert wurde, steht der letzte formale Akt bevor: die Unterzeichnung. Es ist wichtig, die geltenden Unterschriftenregelungen zu beachten, um sicherzustellen, dass der Vertrag rechtlich bindend ist. Dies kann je nach Unternehmen und Vertragsart unterschiedlich sein. Die Vertretungsbefugnis richtet sich nach den gesetzlichen Regelungen und den internen Unterschriftenregelungen.
Bei einer GmbH beispielsweise wird die Gesellschaft durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 GmbHG). Oftmals gelten interne Regelungen wie das Vier-Augen-Prinzip. Wurde Prokura erteilt, so ist der Prokurist gemäß § 49 HGB zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, ermächtigt. Bei der Unterzeichnung fügt der Prokurist seiner Unterschrift den Zusatz „ppa.“ (per procura) hinzu. Davon abzugrenzen ist die Handlungsvollmacht nach § 54 HGB, deren Umfang beschränkt sein kann und die oft mit dem Zusatz „i.V.“ (in Vollmacht) gezeichnet wird. Eine Überschreitung der Vertretungsmacht kann dazu führen, dass der Vertrag für das Unternehmen unverbindlich ist.
Zudem ist die Einhaltung eventueller gesetzlicher Formvorschriften zu prüfen. Während viele Verträge formfrei, also auch mündlich, geschlossen werden können (Grundsatz der Formfreiheit), schreibt das Gesetz für bestimmte Rechtsgeschäfte eine besondere Form vor. So bedarf beispielsweise ein Grundstückskaufvertrag der notariellen Beurkundung (§ 311b BGB) und eine Bürgschaftserklärung der Schriftform (§ 766 BGB). Die Missachtung einer gesetzlichen Formvorschrift führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125 BGB). Im digitalen Zeitalter gewinnen auch elektronische Signaturen an Bedeutung, deren Wirksamkeit sich nach der eIDAS-Verordnung und dem deutschen Recht (z.B. § 126a BGB für die qualifizierte elektronische Signatur) richtet.
Was können wir für Sie tun?
Wir verstehen, dass die Prüfung und Unterzeichnung von Verträgen eine komplexe Angelegenheit sein kann. Unser Team von erfahrenen Juristen steht Ihnen zur Verfügung, um Sie bei jedem Schritt dieses Prozesses zu unterstützen. Wir bieten fachliche Kompetenz und effektive Unterstützung, um sicherzustellen, dass Ihre Verträge Ihren geschäftlichen und rechtlichen Anforderungen entsprechen.
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