Das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung verpflichtet nach Art. 12 Abs. 1 HKÜ grundsätzlich zur sofortigen Rückführung eines Kindes, wenn dieses widerrechtlich im Sinne von Art. 3 HKÜ in einen anderen Vertragsstaat verbracht oder dort zurückgehalten wird. Ein widerrechtliches Verbringen liegt vor, wenn die Verbringung oder das Zurückhalten gegen bestehende Mitsorgerechte verstößt und die tatsächliche Ausübung dieser Rechte verhindert wird.
Von der Rückführungspflicht sieht Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ jedoch eine Ausnahme vor. Danach ist eine Rückführung nicht anzuordnen, wenn nachgewiesen wird, dass sie mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden wäre oder dieses in eine unzumutbare Lage bringen würde. Diese Ausnahme ist eng auszulegen, findet jedoch regelmäßig Anwendung, wenn eine Rückführung in ein Gebiet erfolgen soll, das durch Kriegshandlungen geprägt ist. Maßgeblich ist dabei nicht die konkrete Gefährdung am Wohnort, sondern die allgemeine Sicherheitslage im betreffenden Staat.
Ergänzend ist nach Art. 13 Abs. 2 HKÜ der Wille des Kindes zu berücksichtigen, wenn dieses ein hinreichendes Alter und die notwendige Reife erreicht hat. Ein ausdrücklich geäußerter, autonom gebildeter und gefestigter Widerspruch gegen die Rückführung kann daher eigenständig zur Ablehnung führen.
In der Gesamtbewertung können sowohl die allgemeine Gefährdungslage im Herkunftsstaat als auch der entgegenstehende Kindeswille dazu führen, dass eine Rückführung nach dem HKÜ nicht anzuordnen ist, obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 3 und Art. 12 HKÜ vorliegen. Damit tritt der Schutz des Kindeswohls in den Vordergrund, wenn außergewöhnliche Umstände eine Rückführung unzumutbar erscheinen lassen.