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Änderung der bedingten Zulassung des Humanarzneimittels Comirnaty: Fehlendes Rechtsschutzinteresse

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 32 Minuten

In der Rechtssache,

Sonja Faller, wohnhaft in Brixen (Bressanone, Italien), und die weiteren Kläger, die in Anhang I(1) angeführt sind, vertreten durch Rechtsanwältin R. Holzeisen,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und A. Sipos als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2021) 4034 (final) der Kommission vom 31. Mai 2021 über die Änderung der mit dem Beschluss C(2020) 9598 (final) erteilten bedingten Zulassung des Humanarzneimittels „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“

erlässt das Gericht folgenden Beschluss

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Am 1. Dezember 2020 wurde von der BioNTech Manufacturing GmbH (im Folgenden: BioNTech) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Unionsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, S. 1) eine zentralisierte Zulassung des Arzneimittels „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ beantragt.

Nachdem BioNTech den Antrag gestellt hatte, gab der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) am 21. Dezember 2020 sein Gutachten ab und empfahl die bedingte Zulassung für das Arzneimittel „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“. Auf der Grundlage dieses Gutachtens nahm die Europäische Kommission am selben Tag den Durchführungsbeschluss C(2020) 9598 (final) über die Erteilung einer bedingten Zulassung für das Humanarzneimittel „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ gemäß der Verordnung Nr. 726/2004 an.

Nach Art. 1 des Durchführungsbeschlusses C(2020) 9598 (final) wird für das Arzneimittel „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“, dessen Merkmale in Anhang I dieses Beschlusses zusammengefasst sind, eine bedingte Zulassung erteilt. In Abschnitt 4.1 dieses Anhangs heißt es, dass das Arzneimittel „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ zur aktiven Immunisierung von Personen ab 16 Jahren zur Vorbeugung von Covid-19 durch das SARS-CoV-2-Virus angewendet wird.

Gemäß Art. 4 des Durchführungsbeschlusses C(2020) 9598 (final) beträgt die Geltungsdauer der bedingten Zulassung ein Jahr ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Beschlusses.

Gemäß Art. 5 des Durchführungsbeschlusses C(2020) 9598 (final) war dieser an BioNTech gerichtet.

Am 30. April 2021 beantragte BioNTech gemäß Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 der Kommission vom 24. November 2008 über die Prüfung von Änderungen der Zulassungen von Human- und Tierarzneimitteln (ABl. 2008, L 334, S. 7) eine Änderung der bedingten Zulassung. Die beantragte Änderung betraf die Ausdehnung der Indikation des Arzneimittels auf Personen ab zwölf Jahren.

Auf den von BioNTech gestellten Antrag hin legte die EMA am 28. Mai 2021 ein Gutachten vor, in dem sie sich dafür aussprach, für das Arzneimittel „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ eine bedingte Zulassung zu erteilen. Daraufhin nahm die Kommission am 31. Mai 2021 den Durchführungsbeschluss C(2021) 4034 (final) über die Änderung der mit dem Beschluss C(2020) 9598 (final) erteilten bedingten Zulassung des Humanarzneimittels „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ (im Folgenden: angefochtener Beschluss) an.

Art. 1 des angefochtenen Beschlusses bestimmt, dass Anhang I des Durchführungsbeschlusses C(2020) 9598 (final) durch den Text des Anhangs I des angefochtenen Beschlusses ersetzt wird. In Abschnitt 4.1 dieses Anhangs heißt es, dass das Arzneimittel „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ nunmehr zur aktiven Immunisierung von Personen ab zwölf Jahren zur Vorbeugung von Covid-19 durch das SARS-CoV-2-Virus angewendet wird.

Nach Art. 2 des angefochtenen Beschlusses ist dieser an BioNTech gerichtet.

Verfahren und Anträge der Parteien

Mit Klageschrift, die am 30. Juli 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger, nämlich Frau Sonja Faller und die weiteren natürlichen Personen, die in Anhang I angeführt sind, die vorliegende Klage erhoben.

Mit gesondertem Schriftsatz, der am 30. Juli 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger gemäß Art. 152 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, diese Rechtssache im beschleunigten Verfahren zu behandeln.

Mit Beschluss vom 17. September 2021 hat das Gericht (Achte Kammer) den Antrag auf beschleunigtes Verfahren zurückgewiesen und beschlossen, dass die Rechtssache gemäß Art. 67 Abs. 2 der Verfahrensordnung mit Vorrang entschieden wird.

Mit gesondertem Schriftsatz, der am 29. Oktober 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

Daher ist die Behandlung der Anträge auf Zulassung zur Streithilfe zur Unterstützung der Anträge der Kläger, die am 20. Oktober 2021 von TR und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, am 25. Oktober 2021 von YI und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, am 25. Oktober 2021 von EW und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, und am 2. November 2021 von Herrn Arnošt Komárek und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II(2) angeführt sind, gemäß Art. 144 Abs. 3 der Verfahrensordnung ausgesetzt worden.

Die Kläger haben innerhalb der ihnen vom Gericht hierzu gesetzten Frist keine Stellungnahmen zur Einrede der Unzulässigkeit eingereicht.

Die Kläger beantragen, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären.

Die Kommission beantragt,

– die Klage als unzulässig abzuweisen;

– den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Vorbringen der Parteien

Die Kommission macht in ihrer Einrede der Unzulässigkeit geltend, die Kläger verkennten die Natur der Durchführungsbeschlüsse zur Zulassung eines Arzneimittels, die nach dem in der Verordnung Nr. 726/2004 vorgesehenen zentralen Verfahren und nach dem in der Verordnung Nr. 1234/2008 vorgesehenen Änderungsverfahren erlassen worden seien. In Bezug auf diese Beschlüsse hätten die Kläger kein Rechtsschutzinteresse. Außerdem seien sie in Bezug auf den angefochtenen Beschluss nicht klagebefugt.

Die Kläger machen in der Klageschrift geltend, dass der angefochtene Beschluss sie als Eltern minderjähriger Kinder unmittelbar und individuell betreffe. Mit dem Decreto-legge Nr. 105 vom 23. Juli 2021 habe die italienische Regierung ab dem 6. August 2021 einen Green Pass eingeführt. Zu vielen Orten kultureller, sportlicher oder schulischer Aktivitäten hätten seitdem nur noch Personen Zutritt, die geimpft seien, einen negativen PCR- bzw. Antigenschnelltest vorweisen könnten (der nicht älter als 48 Stunden sein dürfe) oder von Covid-19 genesen seien. Unter diesen Umständen seien Kinder ab zwölf Jahren, wenn sie Zugang zu Sport‑, Freizeit- und Kulturstätten und vor allem zum Schulunterricht haben wollten, gezwungen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Hinzu komme, dass sich der Verband der Schuldirektoren für die Einführung einer verpflichtenden Covid-19‑Impfung für Schüler ab zwölf Jahren ab September 2021 ausgesprochen habe.

Der auf Gentechnik basierte Impfstoff Comirnaty sei eine experimentelle Substanz, die nachweislich sowohl kurz- als auch langfristig schwere Nebenwirkungen habe. Ihre Kinder seien daher einem konkreten gesundheitlichen Risiko ausgesetzt.

Durch die von der Kommission durch den angefochtenen Beschluss erteilte zentralisierte Zulassung von Comirnaty sei dieser Wirkstoff automatisch in jedem Mitgliedstaat auch für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen. Es bedürfe mithin keiner weiteren nationalen Entscheidung, um diesen Wirkstoff auch im italienischen Hoheitsgebiet zuzulassen.

Die Kläger beantragen deshalb, den angefochtenen Beschluss u. a. wegen Verstoßes gegen die Art. 2 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 507/2006 der Kommission vom 29. März 2006 über die bedingte Zulassung von Humanarzneimitteln, die unter den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 726/2004 fallen (ABl. 2006, L 92, S. 6), gegen die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67), gegen die Verordnung Nr. 726/2004, gegen die Art. 168 und 169 AEUV und gegen die Art. 3, 35 und 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union für nichtig zu erklären.

Würdigung durch das Gericht

Gemäß Art. 130 Abs. 1 und 7 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag des Beklagten vorab über die Unzulässigkeit oder die Unzuständigkeit entscheiden. Nachdem die Kommission beantragt hat, über die Unzulässigkeit zu entscheiden, beschließt das Gericht, da es sich durch die Aktenstücke für hinreichend unterrichtet hält, im vorliegenden Fall ohne Fortsetzung des Verfahrens über diesen Antrag zu entscheiden.

Zum Rechtsschutzinteresse der Kläger

Nach der Rechtsprechung braucht bei fehlendem Rechtsschutzinteresse nicht geprüft zu werden, ob die klagende Partei im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar und individuell betroffen ist.

Das Rechtsschutzinteresse ist nämlich die wesentliche und erste Voraussetzung jeder Klage. Eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist somit nur zulässig, soweit die klagende Partei ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Das Bestehen des Rechtsschutzinteresses bei einer klagenden Partei setzt voraus, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann, dass also die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann und dass diese ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung nachweist.

Nach der Rechtsprechung hat die klagende Partei ihr Rechtsschutzinteresse nachzuweisen. Sie muss insbesondere ein persönliches Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung darlegen. Es muss sich dabei um ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse handeln, wofür auf den Tag der Klageerhebung abzustellen ist.

Allerdings überschneidet sich, wenn ein nicht privilegierter Kläger eine Nichtigkeitsklage gegen eine nicht an ihn gerichtete Handlung erhebt, das Erfordernis, dass die verbindlichen Rechtswirkungen der angefochtenen Maßnahme geeignet sein müssen, die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen, mit den Voraussetzungen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV.

Um zu beurteilen, ob die Kläger den angefochtenen Beschluss im Wege einer Klage anfechten können, ist daher zu prüfen, ob dieser eine Handlung darstellt, die ihnen gegenüber verbindliche Rechtswirkungen entfaltet.

Für die Feststellung, ob eine Handlung einem Kläger gegenüber Rechtswirkungen erzeugt und seine Rechtsstellung qualifiziert ändert, ist u. a. auf ihren Gegenstand, ihren Inhalt, ihren Sachgehalt und auch auf den tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen.

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass der angefochtene Beschluss ebenso wie der ursprüngliche Beschluss über die Erteilung der bedingten Zulassung, der durch den angefochtenen Beschluss geändert wird, an BioNTech gerichtet ist, die deren alleiniger Adressat ist, so dass die Kläger im Hinblick auf diesen Beschluss als Dritte anzusehen sind.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Beschluss, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, lediglich zur Folge hat, dass zum einen das das Arzneimittel „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ herstellende Unternehmen, das von dem Beschluss betroffen ist, dieses Mittel für die Anwendung bei Personen eines Altersspektrums vertreiben darf, das breiter ist als das, für das die Zulassung ursprünglich erteilt worden war, und dass es zum anderen den Mitgliedstaaten untersagt ist, sich seinem Inverkehrbringen auf dem Markt der Europäischen Union für eine solche Anwendung zu widersetzen. Der genannte Beschluss erzeugt mithin keine wie auch immer geartete Belastung oder Verpflichtung für natürliche Personen und erlegt ihnen keine Impfpflicht auf. Dies gilt insbesondere auch für Kinder von zwölf bis 15 Jahren.

Somit kann der angefochtene Beschluss, da er lediglich die Indikation der bedingten Zulassung des Arzneimittels „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ um Personen von zwölf bis 15 Jahren erweitert, ohne eine Impfpflicht aufzuerlegen, nicht als potenziell die körperliche Unversehrtheit der Kläger oder ihrer Kinder beeinträchtigend angesehen werden.

Insoweit ist festzustellen, dass die Kläger einräumen, dass der angefochtene Beschluss keine Impfpflicht begründet. Sie meinen, dass sich eine solche Pflicht aus der italienischen Regelung, mit der ein Green Pass eingeführt wurde, und aus den bloßen Empfehlungen des Verbands der Schuldirektoren, der sich für die Einführung einer verpflichtenden Covid-19‑Imfpung für Schüler ab zwölf Jahren ab September 2021 ausgesprochen hat, ergebe.

Der angefochtene Beschluss, mit dem die Indikation der bedingten Zulassung des Arzneimittels „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ um Personen von zwölf bis 15 Jahren erweitert wird, ändert daher weder die Rechtsstellung der Kläger noch diejenige von deren Kindern in qualifizierter Weise. Somit kann die Nichtigerklärung dieses Beschlusses als solche ihnen keinen Vorteil im Sinne der oben in Rn. 25 angeführten Rechtsprechung verschaffen.

Folglich haben die Kläger in Bezug auf den angefochtenen Beschluss kein Rechtsschutzinteresse.

Zur Klagebefugnis der Kläger

Obwohl die Kläger kein Rechtsschutzinteresse haben, hält es das Gericht im vorliegenden Fall gleichwohl für angebracht, die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf Art. 263 Abs. 4 AEUV zu prüfen.

– Keine unmittelbare Betroffenheit

Hinsichtlich der unmittelbaren Betroffenheit ist darauf hinzuweisen, dass diese Voraussetzung nur vorliegt, wenn zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich erstens, dass sich die beanstandete Maßnahme auf die Rechtsstellung der betreffenden Person unmittelbar auswirkt, und zweitens, dass sie ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt.

Die erste Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit bedeutet u. a., dass sich die in Rede stehende Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung der natürlichen oder juristischen Person auswirken muss, die eine Klage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zu erheben gedenkt. Eine solche Voraussetzung ist somit ausschließlich anhand der Rechtswirkungen der Maßnahme zu beurteilen, wohingegen sich ihre etwaigen politischen Wirkungen nicht auf die Beurteilung auswirken.

Bereits oben ergibt sich jedoch, dass der angefochtene Beschluss keine Rechtswirkungen im Hinblick auf die Situation der Kläger entfaltet, sondern nur gegenüber BioNTech und den Mitgliedstaaten.

Der angefochtene Beschluss als solcher begründet nämlich für die Kläger keine Pflicht, ihre Kinder impfen zu lassen, unabhängig davon, welcher Impfstoff gegebenenfalls zur Verfügung steht.

Wie bereits ausgeführt, räumen die Kläger im Übrigen ein, dass sich aus dem angefochtenen Beschluss keine Impfpflicht ergebe. Sie beziehen sich insoweit auf Maßnahmen, die auf nationaler Ebene getroffen wurden.

Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, würde es sich selbst dann, wenn sich aus der Rechtsordnung Italiens oder gar der Union eine Impfpflicht ergäbe oder wenn die Nichtimpfung rechtliche Nachteile mit sich brächte, etwa Beschränkungen des Zugangs zu bestimmten Orten, nicht um Rechtswirkungen des angefochtenen Beschlusses handeln, sondern um die Folge anderer, auf nationaler Ebene oder auf Ebene der Union erlassener Maßnahmen.

Die zweite Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit bedeutet, dass die betreffende Maßnahme ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt.

Der angefochtene Beschluss beschränkt sich jedoch darauf, die Indikation der bedingten Zulassung des Arzneimittels „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ um Personen von zwölf bis 15 Jahren zu erweitern, ohne dass dieser Beschluss an die nationalen Behörden der Mitgliedstaaten gerichtet wäre. Hieraus ergibt sich, dass es völlig im Ermessen dieser Behörden steht, ob sie es für zweckmäßig erachten, dieses zugelassene Arzneimittel, erforderlichenfalls auch mittels Zwangsmaßnahmen, anzuwenden.

Somit geht aus dem angefochtenen Beschluss keineswegs hervor, dass ein Mitgliedstaat wie die Italienische Republik durch ihn verpflichtet wäre, das Arzneimittel „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ Kindern von zwölf bis 15 Jahren zu verabreichen oder gar die Impfung mit diesem Arzneimittel zwingend vorzuschreiben.

Nach alledem ist die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit der Kläger nicht erfüllt.

– Keine individuelle Betroffenheit

Nach ständiger Rechtsprechung können andere Personen als die Adressaten eines Beschlusses nur dann individuell betroffen sein, wenn dieser sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten eines solchen Beschlusses.

Hierzu genügt die Feststellung, dass der angefochtene Beschluss die Kläger nicht wegen bestimmter Eigenschaften berührt, die für sie gegenüber den übrigen Personen, die von der bedingten Zulassung des Arzneimittels ‚Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)‘ betroffen sind, persönlich wären.

Die bloße Behauptung, dass die Kläger oder zumindest einige von ihnen Eltern von Kindern ab zwölf Jahren seien, reicht nicht aus, um diese Eltern und diese Kinder zu individualisieren und sie aus dem Kreis der gesamten Bevölkerung oder sämtlicher Kinder zwischen zwölf und 15 Jahren herauszuheben.

Darüber hinaus genügt die Behauptung, der angefochtene Beschluss verletze die Grundrechte der Kläger oder ihrer Kinder, für sich allein nicht, um die Zulässigkeit der Klage eines Einzelnen herbeizuführen, denn sonst würden die Anforderungen des Art. 263 Abs. 4 AEUV ausgehöhlt. Dies gilt umso mehr, als die Kläger nicht darlegen konnten, inwiefern allein der angefochtene Beschluss die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder beeinträchtigen könnte, da mit ihm lediglich die Indikation der bedingten Zulassung des Arzneimittels „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“, die ursprünglich für Personen ab 16 Jahren galt, um den Kreis der Zwölf- bis Fünfzehnjährigen erweitert wird.

Selbst wenn man unterstellt, die Kläger hätten eine Verletzung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihrer Kinder geltend gemacht und daraus eine individuelle Betroffenheit mit der Begründung abgeleitet, dass die körperliche Unversehrtheit und damit die Verletzung der Grundrechte für jede Person einzigartig und unterschiedlich sei, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der angefochtene Beschluss die Kläger wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten.

– Kein Rechtsakt mit Verordnungscharakter

Außerdem ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass der Begriff „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ alle Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung umfasst.

Es ist jedoch festzustellen, dass der Beschluss der Kommission, mit dem die bedingte Zulassung eines Arzneimittels wie „Comirnaty – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ in der Union geändert wird, gegenüber Dritten keine Rechtswirkung entfaltet, sondern nur gegenüber dem es herstellenden Unternehmen. Mithin hat er keine allgemeine und abstrakte Geltung.

Nach alledem ist der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit stattzugeben und die Klage als unzulässig abzuweisen.

Zu den Anträgen auf Zulassung zur Streithilfe

Nach Art. 144 Abs. 3 der Verfahrensordnung wird, wenn der Beklagte nach Art. 130 Abs. 1 eine Einrede der Unzulässigkeit erhebt, über Anträge auf Zulassung zur Streithilfe erst entschieden, nachdem die Einrede zurückgewiesen oder die Entscheidung darüber dem Endurteil vorbehalten wurde. Ferner wird die Streithilfe gemäß Art. 142 Abs. 2 der Verfahrensordnung u. a. dann gegenstandslos, wenn die Klage für unzulässig erklärt wird.

Da der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit im vorliegenden Fall stattgegeben worden ist und folglich der vorliegende Beschluss das Verfahren beendet, haben sich die Anträge auf Zulassung zur Streithilfe zur Unterstützung der Anträge der Kläger erledigt, die von TR und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, von YI und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, von EW und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, und von Herrn Komárek und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, gestellt worden sind.

Kosten

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Darüber hinaus tragen nach Art. 144 Abs. 10 der Verfahrensordnung TR und die weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, YI und die weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, EW und die weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, und Herr Komárek und die weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, jeweils ihre eigenen im Zusammenhang mit den Anträgen auf Zulassung zur Streithilfe entstandenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

beschlossen:1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Anträge auf Zulassung zur Streithilfe von TR und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, von YI und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, von EW und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, und von Herrn Arnošt Komárek und den weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, haben sich erledigt.

3. Frau Sonja Faller und die weiteren Kläger, die in Anhang I angeführt sind, tragen die Kosten.

4. TR und die weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, YI und die weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, EW und die weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, sowie Herr Komárek und die weiteren natürlichen Personen, die in Anhang II angeführt sind, tragen jeweils ihre eigenen im Zusammenhang mit den Anträgen auf Zulassung zur Streithilfe entstanden Kosten.


EuG, 07.02.2022 - Az: T-464/21

ECLI:EU:T:2022:68

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