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Übernachtungsangebote für touristische Zwecke bleiben untersagt

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 10 Minuten

Die Antragsteller betreiben Hotelbetriebe in Bayern und beantragten zuletzt, § 14 Abs. 1 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021 (12. BayIfSMV; BayMBl. 2021 Nr. 171) in der Fassung vom 9. April 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 261) vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Seit Inkrafttreten der 8. BayIfSMV am 1. November 2020 dürften die Antragsteller ihr Übernachtungsangebot nicht mehr für touristische Zwecke zur Verfügung stellen. Die zugesagten staatlichen Hilfen seien bislang trotz vollständiger Beantragung nicht gänzlich zur Auszahlung gekommen. Die grundsätzliche Untersagung touristischer Beherbergungsangebote sei mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Letztlich bleibe die Entscheidung über die Aufrechterhaltung der massiven Grundrechtseingriffe auch nach der Einführung des § 28a IfSG allein der Exekutive überlassen. Dies sei mit der Wesentlichkeitstheorie nicht vereinbar. Auch eine Folgenabwägung könne mittlerweile nicht mehr zu Lasten der Antragsteller ausgehen, insbesondere weil die zugesagten Hilfen bislang nicht ausbezahlt worden seien und die Antragsteller während der Wintersaison keine Einnahmen hätten erzielen können.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Die Erfolgsaussichten eines in der Hauptsache gegen § 14 Abs. 1 12. BayIfSMV zu erhebenden Normenkontrollantrags sind unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO als offen anzusehen. Die zu treffende Folgenabwägung geht zulasten der Antragsteller aus.

Der Senat geht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Hauptsache offen sind. Zur Begründung wird umfassend auf die Entscheidung des Senats vom 29. März 2021 - Az: 20 NE 21.784 -, die den Antragstellern bekannt ist, Bezug genommen.

Ob das Verbot touristischer Übernachtungsangebote als Mittel zur Beschränkung der Mobilität in Anbetracht der bestehenden Reisemöglichkeiten ins Ausland mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist, bedarf einer abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren. Da ein bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes feststellbarer offensichtlicher Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht vorliegt, ist insoweit von offenen Erfolgsaussichten auszugehen.

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Normgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl muss er jedoch sachgerecht treffen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gleichheitssatz verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.

Der Begründung zur Aufrechterhaltung des Verbots touristischer Übernachtungsangebote nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG, die der Antragsgegner erstmals in die Begründung zur Verordnung zur Änderung der 12. BayIfSMV vom 25. März 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 225) aufgenommen hat, lässt sich hierzu entnehmen, dass Zielrichtung der Maßnahme die Reduzierung persönlicher Kontakte und die Beschränkung der Mobilität der Normadressaten ist. In der Begründung heißt es:

„Die Regelung des § 14 wird zunächst unverändert fortgeführt. Das dort vorgesehene Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken dient der Flankierung der im Hinblick auf das Infektionsgeschehen nach wie vor erforderlichen Reduzierung von Kontakten, insbesondere im Freizeitbereich, indem Anlässe für ein gezieltes Aufeinandertreffen eines größeren, nicht gleichbleibenden Personenkreises und auch der entsprechende An- und Abreiseverkehr verhindert werden. Dies ist erforderlich, um das Ziel der Maßnahmen zu erreichen. Gerade der Freizeitbereich stellt einen kontaktintensiven Bereich dar und ist typischerweise vielfach mit geselligen Anlässen verbunden, in denen notwendige Schutz- und Hygienevorkehrungen nicht mit gleicher Zuverlässigkeit beachtet werden wie etwa im Berufsleben. Hier kann das Infektionsgeschehen nach den bisherigen Erkenntnissen durch eine Verminderung der persönlichen Kontakte effektiv begrenzt werden. Da nur durch eine generelle Reduzierung von persönlichen Kontakten das Infektionsgeschehen beherrscht werden kann, ist weiterhin entscheidend, dass in der Gesamtschau der beschlossenen Einschränkungen diese angestrebte Wirkung erreicht werden kann und diese im Hinblick auf die Belastung nicht außer Verhältnis steht.“

Ausgehend von diesen Maßstäben besteht hinsichtlich des Konzepts des Verordnungsgebers, touristische Übernachtungsangebote im Inland zu untersagen, während touristische Reisen und Übernachtungen ins Ausland (vorbehaltlich einer etwaigen Test- und/oder Quarantäneverpflichtung) möglich bleiben, trotz derselben Zielrichtung, nämlich die Mobilität der Normadressaten und persönliche Kontakte zur Bekämpfung der weiteren Ausbreitung des Coronavirus einzuschränken, weiterer Aufklärungsbedarf. Ob sich der Verordnungsgeber bei dieser Differenzierung darauf berufen kann, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen, ist im Hauptsacheverfahren - gegebenenfalls auch mit Blick auf die zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten, die Reisetätigkeit ins Ausland zu beschränken - zu klären.

Angesichts der pandemischen Gefahrenlage ergibt die Folgenabwägung zwischen den betroffenen Schutzgütern der Normadressaten, insbesondere der freien wirtschaftlichen Betätigung aus Art. 12 Abs. 1 GG und ggf. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dass die von den Antragstellern dargelegten wirtschaftlichen Folgen und die Beschränkungen ihrer beruflichen Freiheit hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen. Die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten fallen schwerer ins Gewicht als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Interessen der Normadressaten. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben durch eine in ihrem Verlauf und ihren Auswirkungen bisher nicht zuverlässig einzuschätzende Pandemie, vor der zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist, müssen die Interessen der Betroffenen derzeit zurücktreten.


VGH Bayern, 12.04.2021 - Az: 20 NE 21.462

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