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Bei Versammlung per Megaphon und durch Ordner sicherstellen, dass die Mindestabstände eingehalten werden!

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 9 Minuten

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 27. August 2020 wird mit der nachfolgenden Maßgabe wiederhergestellt:

Der Antragsteller muss mittels beständig wiederholter Durchsagen per Megaphon und durch Einsatz von Ordnern sicherstellen, dass die Mindestabstände der teilnehmenden Personen zueinander von 1,50 m durchgängig eingehalten werden.

Der Ort der Versammlung wird auf die östliche Seite des Brandenburger Tores auf den Pariser Platz verlegt.

Die Anzahl der Teilnehmenden wird auf 800 Personen beschränkt.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid vom 27. August 2020 erließ der Polizeipräsident in Berlin für die vom Antragsteller angemeldete Versammlung ein Verbot, zugleich ordnete der Polizeipräsident die sofortige Vollziehung des Bescheids an. Die Versammlung am 30. August 2020 (Thema „Maskenball vor dem Brandenburger Tor“, 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr) soll mit bis zu 3000 Teilnehmenden zur Sammlung und Organisation der Teilnehmer der vom selben Veranstalter angemeldeten „Menschenkette“, die Gegenstand der Verfahren VG 1 L 300/20 und OVG 1 S 104/20 ist, am westlichen Platz vor dem Brandenburger Tor, dem Platz des 18. März, stattfinden.

Gegen den Bescheid vom 27. August 2020 legte der Antragsteller Widerspruch ein. Mit dem am 29. August 2020 eingegangen Eilantrag wendet sich der Antragsteller gegen die sofortige Vollziehung des Versammlungsverbots.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt. Er verweist darauf, dass an dem geplanten Versammlungsort bereits die zu einem früheren Zeitpunkt angemeldete, zunächst verbotene und nach dem Beschluss des VG Berlin vom 28. August 2020 (VG 1 L 299/20) wieder zugelassene Veranstaltung zum Thema „Fest für Freiheit und Frieden. Vorfreude“ (gemeint wohl „Nachbetrachtung“) stattfinde. Eine Ausweichmöglichkeit stünde auf der östlichen Seite des Brandenburger Tores zur Verfügung, dort sei unter Berücksichtigung des Fassungsvermögens des Pariser Platzes und zur Abstandswahrung nur eine Personenobergrenze von bis zu 800 Personen denkbar.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO zulässige Antrag des Antragstellers ist in dem im Tenor bestimmten Umfang begründet.

Das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers, von den Folgen des Bescheids vorläufig verschont zu werden, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 27. August 2020. Bei der hier allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweist sich der angegriffene Bescheid des Antragsgegners als offensichtlich rechtswidrig, weil dieser zumindest ermessensfehlerhaft ist.

Rechtsgrundlage für den Erlass eines Versammlungsverbots ist § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersammlG). Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Wegen der besonderen Bedeutung der grundrechtlich verbürgten Versammlungsfreiheit (Art. 8 Grundgesetz - GG) für die Funktionsfähigkeit der Demokratie darf deren Ausübung nur zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit begrenzt werden.

Vorliegend kann offen bleiben, ob hier überhaupt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit gegeben ist, denn das Versammlungsverbot ist jedenfalls unverhältnismäßig. Auf die den Beteiligten bekannten Ausführungen des VG Berlin in dem Beschluss vom 28. August 2020 in dem parallelen Eilverfahren VG 1 L 300/20, die die Kammer teilt, wird insoweit Bezug genommen. Auch in Kenntnis der Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28./29. August 2020 zu vergleichbaren Versammlungen am heutigen Tag hat der Antragsgegner seine Gefahrenprognose nicht individualisiert.

Insgesamt spricht nach den erkennbaren Umständen Überwiegendes dafür, dass mittels der tenorierten Auflage zu Durchsagen und Einsatz von Ordnern zur Sicherstellung des Mindestabstandes Verstöße gegen § 1 Abs. 2 SARS-CoV-2-InfektionsschutzVO unterbunden werden können. Dabei ist je 25 Teilnehmern ein Ordner einzusetzen.

Bei den im Beschlusstenor ausgesprochenen weiteren Maßgaben und Beschränkungen waren für die Kammer folgende Erwägungen leitend:

Die Wahl des Versammlungsorts gehört grundsätzlich zum Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, kann jedoch im Falle von Rechtsgüterkollisionen verhältnismäßig beschränkt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2005 – 1 BvR 961/05 –, juris Rn. 24). Hiernach ist der Veranstaltungsort wie tenoriert zu verlegen. Die Rechtspositionen des Antragstellers sind hier mit dem Versammlungsrecht der Teilnehmer einer anderen Versammlung mit vergleichbarer Zielrichtung im Wege praktischer Konkordanz in Einklang zu bringen. Auf der ursprünglich geplanten Versammlungsfläche auf dem Platz des 18. März, d.h. der westlichen Seite des Brandenburger Tores kann die Veranstaltung nicht stattfinden, da diese Fläche bereits durch die Versammlung „Fest für Freiheit und Frieden. Nachbetrachtung“ im Zeitraum 11.00 bis 17.00 Uhr (Aufbau ab 9.00 Uhr) belegt ist. Im Hinblick hierauf hat sich der Antragsteller selbst mit einer Verlegung telefonisch einverstanden erklärt, sodass von einer weiteren Begründung abgesehen wird.

Die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf höchstens 800 Personen rechtfertigt sich im Hinblick auf das Fassungsvermögen des Pariser Platzes, die erforderlichen Fluchtmöglichkeiten und die vorgeschriebene Wahrung des Mindestabstands von 1,50 m, was der Antragsgegner im Hinblick auf die tatsächlichen Verhältnisse schlüssig und vom Antragsteller unwidersprochen vorgetragen hat. Bei Gegenüberstellung der jeweiligen Folgen muss das Interesse des Antragstellers an einer Durchführung der geplanten Versammlung mit bis zu 3.000 Teilnehmern zurücktreten. Dafür fällt insbesondere ins Gewicht, dass dem Antragsteller die Ausübung seiner grundrechtlichen Freiheit grundsätzlich möglich bleibt. Er kann die Versammlung sowohl in örtlich im Wesentlichen unveränderter als auch in zeitlicher Hinsicht in der von ihm gewünschten Weise durchführen.

Diese gerichtlichen Maßgaben und Beschränkungen sind insofern nicht abschließend, als der Antragsgegner auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 und 3 VersammlG weitere verhältnismäßige Auflagen erlassen kann, um konkreten Gefahren zu begegnen.


VG Berlin, 29.08.2020 - Az: 1 L 306.20, 1 L 306/20

ECLI:DE:VGBE:2020:0829.VG1L306.20.00

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