Eine langjährige
Unterbringung eines psychisch kranken Menschen zum Schutz vor Eigengefährdung auf einer Akutstation der Psychiatrie ist unverhältnismäßig.
Die Leistungen zur Teilhabe aus § 4 SGB IX gewährleisten Alternativen zur Verwahrung auf einer Akutstation. Die Rechte aus § 4 SGB IX sind einklagbar und der
Betreuer hat die Verpflichtung die Ansprüche für den
Betreuten durchzusetzen.
Eine Verlängerung der Unterbringung um sechs Monate ist angemessen und ausreichend, um eine Alternative zur geschlossenen Unterbringung in der Psychiatrie zu organisieren.
Hierzu führte das Gericht aus:
Eine Akutstation ist auf die Behandlung psychisch kranker Menschen ausgerichtet. In der Regel verweilen die Patienten dort zwischen 6 Wochen und drei Monaten. Die Räumlichkeiten und die Angebote sind auf kurze Aufenthalte eingestellt. Ärzte und Pflegepersonal sind auf die Behandlung kranker Menschen fokussiert.
Frau M ist gilt medizinisch seit langer Zeit als ausbehandelt. Sie kann in der Klinik überhaupt nicht mehr gefördert werden. Die Verwahrung psychisch kranker Menschen auf Akutstationen über einen langen Zeitraum ist ein extremer Einschnitt in die Freiheit der Betroffene und in ihre Grundrechte auf Teilhabe und Entfaltung der Persönlichkeit. Sie haben praktisch keine Möglichkeiten zu einer angemessenen Beziehungspflege, zu selbstgewählten und sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten und sie drohen dort zu hospitalisieren, weil sie gar nicht in die Lage versetzt werden, ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben führen zu können. Bei der Betroffene gibt es Anzeichen, dass sie sich selbst aufgibt. Unter diesen Umständen ist es fast nachvollziehbar, dass sie ihrem Suchtdruck zu einem Zeitpunkt nachgegeben hat, wo sie im laufenden Überprüfungsverfahren durch Wohlverhalten vielleicht eine andere Entscheidung des Gerichts hätte herbeiführen können.
Die Verwahrung psychisch kranker Menschen auf den Akutstationen entgegen ihrem Behandlungsauftrag ist der Notnagel der Psychiatrie, weil man sich nicht anders zu helfen weiß, und unterläuft die sozialen Rechte der Betroffenen wie sie nach der UN-Behindertenkonvention in SGB IX verbrieft worden sind, aber von den zuständigen Trägern nicht gewährt werden, weil die Ansprüche nicht geltend gemacht werden. Das ist Aufgabe der rechtlichen Betreuer, die sich aber aufgrund der Verweigerungshaltung der zuständigen Behörden und den tatsächlichen Mangel an Hilfestellungen an der Durchsetzung gehindert sehen und darüber leider zu selten in Betracht ziehen, den Rechtsweg zu beschreiten. Dieser mag zwar im Einzelfall langwierig sein, aber es gibt einstweiligen Rechtsschutz und wenn die Möglichkeit der Verwahrung in den Kliniken von Seiten der Betreuungsgerichte verwehrt wird, weil dieser Weg einfach falsch ist, dann ist es auch dringlich, andere Formen der Versorgung und Betreuung psychisch kranker Menschen zu organisieren, die ihnen sowohl ein menschenwürdiges Leben ermöglichen als auch eine Eigengefährdung oder sogar Fremdgefährdung weitgehend ausschließen.
Der Anspruch ergibt sich aus § 4 SGB IX. Er umfasst alle (!) erforderlichen Leistungen. Im Rahmen eines schnellst möglich anzusetzenden Hilfeplangespräch ist der Bedarf zu ermitteln und die Hilfen zu gewähren.
Dabei kommt auch die Unterbringung in einem geschlossenen Wohnheim für psychisch kranke Menschen in Betracht. Es ist unverständlich, warum diese Platze nicht geschaffen werden, obwohl nachweislich dafür seit Jahrzehnten ein Bedarf ersichtlich ist.
Lässt sich diese Möglichkeiten nicht ohne weiteres und erst recht nicht ohne Vorbereitung umsetzen lassen, ist es vertretbar die Unterbringung noch um ein weiteres halbes Jahr zu verlängern.