Wenn in einem
Unterbringungsverfahren dem Betroffenen das Sachverständigengutachten nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen worden ist, leidet die Anhörung an einem wesentlichen Verfahrensmangel (im Anschluss an BGH, 14.10.2020 - Az:
XII ZB 146/20).
Der Gutachter in einer Unterbringungssache muss schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein (im Anschluss an BGH, 16.09.2015 - Az:
XII ZB 250/15).
Hierzu führte das Gericht aus:
Gemäß
§ 319 Abs. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor einer Unterbringungsmaßnahme persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach
§ 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar eröffnet § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Unterbringungsverfahren die Möglichkeit, von der Durchführung der persönlichen Anhörung abzusehen. Ein solches Vorgehen setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist.
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage erfordert nach
§ 37 Abs. 2 FamFG, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Das setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats voraus, dass der Betroffene vor der Entscheidung nicht nur im Besitz des schriftlichen Sachverständigengutachtens ist, sondern auch ausreichend Zeit hatte, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Wenn dem Betroffenen das Sachverständigengutachten nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen worden ist, leidet die Anhörung an einem wesentlichen Verfahrensmangel.
Durch eine Bekanntgabe an einen Verfahrenspfleger kann allenfalls dann ein notwendiges Mindestmaß rechtlichen Gehörs sichergestellt werden, wenn das
Betreuungsgericht von der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe eines Gutachtens an den Betroffenen entsprechend
§ 325 Abs. 1 FamFG (vgl. auch
§ 288 Abs. 1 FamFG) absieht, weil zu besorgen ist, dass die Bekanntgabe die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden werde, und die Erwartung gerechtfertigt ist, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht.