Lebt der Betroffene in einer ambulant betreuten Einrichtung der Eingliederungshilfe (SGB IX), in der er verpflichtet ist, behandlungspflegerische Leistungen, die über einfache ärztlich verordnete behandlungspflegerische Maßnahmen hinausgehen, auf eigene Kosten durch externe Dienstleister zu decken, hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einer stationären Einrichtungen gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform (im Anschluss an BGH, 04.11.2020 - Az:
XII ZB 436/19 und BGH, 02.06.2021 - Az: XII ZB 582/20).
Hierzu führte das Gericht aus:
Die dem Betreuer zustehende Vergütung bestimmt sich nach
§ 4 Abs. 1 VBVG nach monatlichen Fallpauschalen, deren Höhe sich gemäß
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Betreuten richtet.
§ 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG unterscheidet dabei zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach § 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits. Stationäre Einrichtungen sind nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden.
Demgegenüber sind ambulant betreute Wohnformen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VBVG entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen.
Nach § 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG sind ambulant betreute Wohnformen stationären Einrichtungen gleichgestellt, wenn die in der ambulant betreuten Wohnform extern angebotenen Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege als Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden und der Anbieter der extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar ist.
Bereits der Wortlaut dieser Regelung spricht dafür, dass nur solche ambulant betreuten Wohnformen stationären Einrichtungen gleichgestellt werden sollen, in denen der Anbieter der umfassenden Pflege- und Betreuungsleistungen nicht frei wählbar ist und in denen eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Pflegekräfte oder - in der Behindertenhilfe - durch professionelle Betreuungskräfte vorgehalten wird.
Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesbegründung gestützt.
Die Regelung des § 5 Abs. 3 VBVG wurde durch das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22. Juni 2019 (BGBl. I, 866) eingeführt. Die Regelung hat die Funktion, anhand eines griffigen, ohne erheblichen Aufwand feststellbaren Kriteriums Unterschiede im Betreuungsaufwand zu erfassen, nachdem sich das Selbstverständnis von pflegebedürftigen Personen, von Menschen mit Behinderungen und die gesellschaftlichen Ziele von Teilhabe und Selbstbestimmung gewandelt haben und sich eine Vielzahl von ambulant betreuten Wohnformen herausgebildet hat, die sich im Umfang der tatsächlichen Betreuung erheblich unterscheiden und ein breites Spektrum vom reinen Servicewohnen mit Notrufdienst und Vermittlung von hauswirtschaftlichen beziehungsweise Pflege-Leistungen bis hin zu Intensivpflege-Wohngemeinschaften abdecken.
Da die Regelung jedoch nur dazu dient, die pauschalierten Zeitansätze festzulegen, und diese daher in der Praxis handhabbar bleiben muss, wird die Anwendung der reduzierten Zeitansätze lediglich auf solche ambulant betreuten Wohnformen ausgedehnt, die sich entweder durch eine permanente Präsenz oder durch eine ständige Erreichbarkeit (zum Beispiel in Form einer Nacht- und Rufbereitschaft) professioneller Pflege- oder Betreuungskräfte auszeichnen. Eine inhaltliche Änderung gegenüber der bisherigen Regelung, die insoweit auf den Begriff des Heims nach dem Heimgesetz abgestellt hatte, war nicht beabsichtigt. Die von der Rechtsprechung bislang zur Definition des Begriffs „Heim“ entwickelten Grundsätze sollten weiterhin Gültigkeit behalten.
Auch die Überlegung, bestimmte Formen des ambulant betreuten Wohnens den stationären Einrichtungen gleichzustellen, war daran ausgerichtet, ob die angebotenen Pflege- und Betreuungsleistungen durch einen professionellen Organisationsapparat getragen sind und eine Verantwortungsgarantie - wie in einer stationären Einrichtung - des Trägers begründen. Dies setzt voraus, dass von den Bewohnern keine Auswahlentscheidungen darüber zu treffen sind, von welchem Anbieter die externen Pflege- und Betreuungsleistungen in Anspruch genommen werden, und zudem gewährleistet ist, dass der Leistungsanbieter Änderungen im Versorgungsbedarf der Bewohner erkennt und abdeckt. Daher werden nur solche ambulant betreuten Wohnformen stationären Einrichtungen gleichgestellt, in denen der Anbieter der Pflege- und Betreuungsleistungen nicht frei wählbar ist und in denen eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Pflegekräfte oder - in der Behindertenhilfe - durch professionelle Betreuungskräfte vorgehalten wird. Auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistungen durch den Betroffenen kommt es nicht an.
Zu § 5 Abs. 3 VBVG in der bis zum 26. Juli 2019 geltenden Fassung, der für den pauschal zu vergütenden Zeitaufwand eines Betreuers danach unterschied, ob der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim hat oder nicht, hat der Senat bereits vor den Beratungen über das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22. Juni 2019 weitere Kriterien entwickelt. Danach waren die Voraussetzungen des vergütungsrechtlichen Heimbegriffs nur dann erfüllt, wenn Wohnraum, Verpflegung und tatsächliche Betreuung sozusagen „aus einer Hand“ zur Verfügung gestellt oder bereit gestellt werden. Eine Wohnung wurde daher nicht schon dadurch zum Heim, dass der Vermieter dem Mieter anbot, ihm bei Erforderlichkeit Verpflegung und tatsächliche Betreuung durch einen Drittanbieter zu vermitteln, solange der Mieter nicht vertraglich gebunden war, dieses Angebot im Bedarfsfall anzunehmen. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass sich einerseits der Aufwand der rechtlichen Betreuung erheblich danach unterscheidet, ob der Betreute zuhause oder in einem Heim lebt, während andererseits die Abrechnung der Betreuervergütung durch ein striktes, an griffige und leicht feststellbare Kriterien gebundenes Verständnis des vergütungsrechtlichen Heimbegriffs vereinfacht werden sollte.
Diese Erwägungen gelten unverändert auch für § 5 Abs. 3 VBVG in der ab dem 27. Juli 2019 geltenden Fassung. Denn der Gesetzgeber hat durch die Neuregelung lediglich der Ausdifferenzierung der Betreuungsangebote seit Inkrafttreten des Heimgesetzes 1976 auch im Betreuervergütungsrecht Rechnung getragen, während die im Wesentlichen bewährten bisherigen Kriterien zur Definition des Begriffs „Heim“ und die von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze Gültigkeit behalten sollten.