Für die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in der Fassung des Rückführungsverbesserungsgesetzes reicht es nicht aus, wenn einzelne Fluchtgründe ohne asylrechtliche Relevanz sind, solange gleichzeitig auch asylrechtlich erhebliche Fluchtgründe vorgetragen werden. Maßgeblich ist der Bedeutungsgehalt des Vorbringens insgesamt, wobei die asylrechtliche Relevanz einzelner Tatsachen auszureichend ist, um die Annahme offensichtlicher Unbegründetheit auszuschließen.
Die Neufassung des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG setzt voraus, dass im Asylverfahren lediglich Umstände vorgebracht werden, die für die Prüfung des Schutzbegehrens bedeutungslos sind. Die Vorschrift setzt Art. 32 Abs. 2 i.V.m. Art. 31 Abs. 8 Buchst. a) der Richtlinie 2013/32/EU um; nach der Gesetzesbegründung sind Fälle erfasst, in denen – wie nach der bisherigen Gesetzeslage – sich der Antragsteller nur aus wirtschaftlichen oder allgemeinen Notlagen im Bundesgebiet aufhält bzw. kein asylrechtlicher Antrag im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylG gestellt wurde (BT-Drs. 20/9463).
Es kommt nicht darauf an, ob die Voraussetzungen der alten und der neuen Fassung der Bestimmung voneinander strukturell abweichen, da jedenfalls dann keine offensichtliche Unbegründetheit im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vorliegt, wenn unter mehreren vorgetragenen Gründen wenigstens einer als asylrechtlich erheblich zu würdigen ist (vgl. VG Düsseldorf, 12.07.2024 - Az: 7 L 1798/24.A; BVerfG, 03.9.1996 - Az: 2 BvR 2353/95).
Zur asylrechtlichen Relevanz zählen auch Maßnahmen, die gegen Familienmitglieder ergriffen werden, sofern Durchsuchungen, Strafverfahren oder Diskriminierungen gegenüber Angehörigen als Indizien für eine sogenannte Reflexverfolgung taugen. Zu berücksichtigen ist auch das Vorliegen von Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder im Zusammenhang mit politischer Aktivität. Die Bewertung des Vorbringens im Asylverfahren unterliegt in dieser Hinsicht den Maßgaben des Art. 4 Abs. 3 Buchst. c) und Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU), wonach Vorverfolgung oder relevante Risiken auch nach Verlassen des Herkunftsstaats zu berücksichtigen sind (vgl. VG Köln, 26.04.2024 - Az: 22 K 4034/21.A).
Unbeachtlich ist es in diesem Zusammenhang, ob Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens bestehen, sofern solche Zweifel weder behördlich vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich sind. Die Prüfung beschränkt sich daher auf die rechtliche Relevanz und die Fülle des Vorbringens im Sinne der asylrechtlichen Vorschriften (vgl. VG Düsseldorf, 12.07.2024 - Az: 7 L 1798/24.A).
Rechtsfolge bei irrtümlicher Annahme offensichtlicher Unbegründetheit ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG. Eine solche Anordnung erfolgt insbesondere dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen und das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt.