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Pauschalabgeltung von Reisezeiten auch für Beifahrerzeiten?

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 6 Minuten

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Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers enthaltene Klausel, Reisezeiten seien mit der Bruttomonatsvergütung abgegolten, ist intransparent, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag nicht ergibt, welche „Reisetätigkeit“ von ihr in welchem Umfang erfasst werden soll.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagte (ein Speditionsunternehmen) setzte den Kläger im Werksfernverkehr ein. Dabei wechselten sich auf den bis zu 30-stündigen LKW-Fahrten jeweils zwei bis drei Fahrer ab.

Der Kläger machte die Vergütung der als Beifahrer auf dem LKW verbrachten Zeiten, soweit sie zusammen mit Lenk- und sonstigen Arbeitszeiten im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich überstiegen, geltend und vertrat die Auffassung, die Zeiten als Beifahrer seien unabhängig von ihrer arbeitszeitrechtlichen Bewertung vergütungspflichtig.

Die Spedition wand ein, die Zeiten als Beifahrer seien nicht zu vergüten. Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG sei die im Mehrfahrerbetrieb während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit keine Arbeitszeit. Dies sei auch für die Vergütungspflicht maßgebend. Zumindest folge dies aus einer richtlinienkonformen Auslegung der Norm. § 21a Abs. 3 ArbZG diene der Umsetzung der Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 (ABl. EG L80 vom 23. März 2002 S. 35, im Folgenden: RL 2002/15/EG), deren Ziel auch die Angleichung von Wettbewerbsbedingungen sei.

Vor Gericht scheiterte die Spedition.

Der Fahrer hat Anspruch auf Zahlung von Vergütung für die Zeiten, die er über eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden hinaus als Beifahrer geleistet hat. Denn er hat mit seiner über eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden hinausgehenden „Beifahrertätigkeit“ Mehrarbeit geleistet, die die Beklagte durch ihre Arbeitseinteilung (zumindest konkludent) angeordnet hat.

Der Kläger hat während der als Beifahrer verbrachten Zeit gearbeitet und die von ihm geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer erbracht. Er musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung der Beklagten an seinem Arbeitsplatz, dem LKW, aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG schließt die Vergütungspflicht für die Arbeit als Beifahrer nicht aus. Ein Ausschluss der Vergütungspflicht für Beifahrerzeiten iSv. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG lässt sich nicht mit Unionsrecht begründen.

Der Vergütungspflicht der streitgegenständlichen Zeiten steht § 7 Ziff. 3 Arbeitsvertrag nicht entgegen. Danach sind Reisezeiten, die außerhalb der normalen Arbeitszeit anfallen, mit der nach § 4 zu zahlenden Vergütung abgegolten. Die Klausel ist unwirksam: Reisezeiten iSd. Klausel können auch die Zeiten sein, die der Arbeitnehmer „reisend“ als Beifahrer auf dem LKW verbringt.

Gerade die Spesenregelung in § 7 Ziff. 1 Arbeitsvertrag legt es nahe, unter dem Begriff Reisezeit jede berufsbedingte Abwesenheit zu verstehen. Die in § 7 Ziff. 3 des Arbeitsvertrags geregelte Pauschalabgeltung von Reisezeiten ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam. Eine die pauschale Vergütung von Reisezeiten regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche „Reisetätigkeit“ von ihr in welchem Umfang erfasst werden soll.

Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.

Gänzlich offen lässt die Klausel, welchen Inhalt der Klauselverwender dem Begriff der Reisezeit beimisst, insbesondere fehlt eine Abgrenzung von Reisezeiten ohne und mit Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Zudem ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag nicht, welchen Umfang die ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Reisezeiten haben sollen.


BAG, 20.04.2011 - Az: 5 AZR 200/10

Quelle: PM des BAG

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