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Massenentlassungen: Kündigungen ohne vorherige Anzeige nur vorübergehend unwirksam

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 5 Minuten

Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.
Die unionsrechtlichen Vorschriften über Massenentlassungen verlangen, dass ein Arbeitgeber beabsichtigte Entlassungen der zuständigen Behörde schriftlich anzeigt, bevor Kündigungen ausgesprochen werden. Nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 98/59/EG darf eine Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung erst nach Ablauf einer Sperrfrist von 30 Tagen nach Eingang der Anzeige bei der Behörde wirksam werden. Ein Arbeitgeber, der die Kündigung eines Arbeitsvertrags unter Verstoß gegen diese Bestimmung vorgenommen hat, ohne der zuständigen Behörde die beabsichtigte Massenentlassung, in deren Rahmen diese Kündigung erfolgt, anzuzeigen, kann die fehlende Anzeige nicht in der Weise nachholen, dass damit die Kündigung 30 Tage nach der Nachholung wirksam würde.

Die Richtlinie dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch Sicherstellung eines Konsultations- und Anzeigeverfahrens, das es der Behörde ermöglichen soll, Maßnahmen zur Vermeidung oder Abmilderung der sozialen Folgen zu ergreifen. Dieses Verfahren stellt eine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Entlassungen dar. Eine Kündigung kann daher keine rechtlichen Wirkungen entfalten, solange die Anzeige nicht erfolgt oder die gesetzliche Sperrfrist nicht abgelaufen ist.

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 98/59 ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass eine Kündigung zwar vor Ablauf der Frist ausgesprochen werden darf, ihre Wirksamkeit jedoch erst nach Ablauf dieser Frist eintritt. Damit wird die zeitliche Reihenfolge der Verfahrensschritte – Anzeige, Sperrfrist, Wirksamkeit der Kündigung – zwingend vorgegeben.

Weiterhin ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie, dass eine Massenentlassungsanzeige nur dann die Frist in Gang setzt, wenn sie die inhaltlichen Anforderungen vollständig erfüllt. Die Anzeige muss die wesentlichen Angaben über Gründe, Zahl und Kategorien der betroffenen Arbeitnehmer sowie den vorgesehenen Zeitraum der Entlassungen enthalten. Unvollständige oder fehlerhafte Anzeigen genügen diesen unionsrechtlichen Anforderungen nicht und können die Frist daher nicht wirksam auslösen.

Eine nachträgliche Anzeige kann unionsrechtskonform die zuvor ausgesprochene Kündigung nachträglich wirksam werden lassen, sofern mit der nachgeholten Anzeige der Behörde erneut der in Art. 4 Abs. 1 vorgesehene Zeitraum eingeräumt wird. In diesem Fall tritt die Wirksamkeit der Kündigung erst nach Ablauf der 30-Tage-Frist ein. Der Zweck des Verfahrens – die Vorbereitung von Vermittlungsmaßnahmen und sozialem Ausgleich – bleibt gewahrt.

Verstöße gegen die Anzeigeverpflichtung führen daher nicht zwingend zur Nichtigkeit der Kündigung im Sinne von § 134 BGB. Vielmehr ist eine unionsrechtskonforme Auslegung dahin vorzunehmen, dass die Rechtswirkungen der Kündigung lediglich gehemmt sind, bis die Anzeige erstattet und die Sperrfrist abgelaufen ist.

Im Hinblick auf Art. 6 der Richtlinie 98/59 ist sicherzustellen, dass Arbeitnehmern und ihren Vertretern ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung steht. Eine ausschließlich behördliche Feststellung über das Ende der Sperrfrist wäre mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz nicht vereinbar, wenn sie für die Gerichte bindend und für Arbeitnehmer unanfechtbar wäre. Vielmehr muss auch eine gerichtliche Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Anzeige möglich sein, um die unionsrechtlich geforderte Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte sicherzustellen.


EuGH, 30.10.2025 - Az: C-134/24

ECLI:EU:C:2025:839

Vorgehend: BAG, 23.05.2024 - Az: 6 AZR 155/21

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