Fragen zum Arbeitsvertrag? ➠ Wir prüfen den Vertrag für SieDie Vereinbarung einer
Probezeit, die der Gesamtdauer des befristeten
Arbeitsverhältnisses entspricht, ist in der Regel unverhältnismäßig.
Hierzu führte das Gericht aus:
Endet das Arbeitsverhältnis durch eine Befristung, darf eine vereinbarte Probezeit jedenfalls ohne Hinzutreten von besonderen Umständen nicht der gesamten Befristungsdauer entsprechen.
Nach der vor Abschluss des Arbeitsvertrags mit Wirkung zum 1. August 2022 erfolgten Neufassung von
§ 15 Abs. 3 TzBfG muss eine für ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbarte Probezeit im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Durch die Regelung werden die Vorgaben des entsprechend formulierten Art. 8 Abs. 2 Satz 1 aus Kapitel III („Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen“) der Richtlinie (EU) 2019/1152 (im Folgenden Arbeitsbedingungen-RL) umgesetzt (vgl. BT-Drs. 20/1636 S. 34).
Weder Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen-RL noch § 15 Abs. 3 TzBfG enthalten nach ihrem Wortlaut ausdrückliche Regelungen zur zulässigen absoluten oder relativen Dauer einer Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis. Ein Änderungsantrag im Europäischen Parlament, wonach bei befristeten Arbeitsverträgen mit einer Dauer von weniger als zwölf Monaten die Probezeit höchstens 25 % der erwarteten Vertragsdauer betragen dürfe (EP-Bericht A8-0355/2018 Änderungsantrag Nr. 91), wurde nicht Inhalt der Richtlinie. Die sich daraus ergebende Unbestimmtheit der unionsrechtlichen Vorgaben hat auch der deutsche Gesetzgeber bei ihrer Umsetzung erkannt, sich aber nicht zu einer näheren Ausgestaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 TzBfG entschließen können (BR-Drs. 154/1/22 S. 4, Plenarprotokoll der 1021. Sitzung des Bundesrats S. 182).
Im Schrifttum wird die Frage des angemessenen Verhältnisses von Befristungsdauer und Probezeit unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine Probezeitdauer von regelmäßig 50 % im Verhältnis zur Befristungsdauer bis hin zu maximal sechs Monaten als angemessen erachtet, wobei im Einzelfall Abweichungen in beide Richtungen aufgrund der Art der Tätigkeit möglich sein sollen. Nach anderer Ansicht dürfe eine Probezeit nur 25 % der Befristungsdauer betragen. Teilweise wird angenommen, dass die Höchstdauer der Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen proportional anzupassen sei, wobei die Probezeit in jedem Fall weniger als sechs Monate betragen solle. Ferner wird vertreten, dass jedenfalls bei einer Befristungsdauer von weniger als zwölf Monaten eine Probezeit von sechs Monaten nicht mehr pauschal möglich sei. Schließlich wird unter Berufung auf die gesetzlichen Wertungen von
§ 622 Abs. 3 BGB und
§ 1 Abs. 1 KSchG der Standpunkt eingenommen, eine sechsmonatige Probezeit solle auch im befristeten Arbeitsverhältnis immer angemessen sein.
Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, nach welchen Grundsätzen sich das Verhältnis zwischen der Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses und der für dieses vereinbarten Probezeit bestimmt. Es kann insbesondere dahinstehen, ob die Gerichte für Arbeitssachen angesichts der bewusst unbestimmt gehaltenen Ausgestaltung von § 15 Abs. 3 TzBfG berechtigt sind, feste Bezugsgrößen für die maßgeblichen Parameter (Probezeit-/Befristungsdauer) zu bestimmen. Jedenfalls ist nach den normativen Vorgaben ohne Hinzutreten von besonderen Umständen die Vereinbarung einer Probezeit unwirksam, die - wie vorliegend - der gesamten Dauer der vereinbarten Befristung entspricht.
Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 TzBfG gibt vor, dass die Probezeitdauer „im Verhältnis“ zur Befristungsdauer stehen muss. Das lässt allein eine Auslegung zu, wonach die Probezeit - unabhängig von der Art der Tätigkeit - nur einen Teil der Befristung, nicht aber ihre gesamte Dauer umfassen kann. Eines „Ins-Verhältnis-setzen“ von Probezeitdauer zur Befristungsdauer bedürfte es nicht, wenn beide gleich lang sein könnten.
Dieses Ergebnis wird durch die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung insbesondere mit Blick auf die Normsystematik bestätigt. In Art. 8 Abs. 1 der Arbeitsbedingungen-RL ist geregelt, dass die Probezeit generell - auch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis - nicht länger als sechs Monate betragen soll, wobei Art. 8 Abs. 3 der Arbeitsbedingungen-RL für Ausnahmefälle längere Probezeiten ermöglicht, jedoch keine Ausnahmeregelung für das Verhältnis von Probezeit- und Befristungsdauer enthält. Wäre eine solche Probezeit auch in auf diese Dauer befristeten Arbeitsverhältnissen angemessen, hätte es der Regelung des Art. 8 Abs. 2 der Arbeitsbedingungen-RL, wonach die Probezeitdauer im Verhältnis zur erwartbaren Befristungsdauer stehen muss, nicht bedurft. Der Erwägungsgrund 28 der Arbeitsbedingungen-RL, in dem zunächst eine generelle Höchstdauer der Probezeit in zahlreichen Mitgliedstaaten zwischen drei und sechs Monaten referiert wird, und sodann für befristete Arbeitsverhältnisse von unter zwölf Monaten ausdrücklich die Angemessenheit der Probezeit und das Verhältnis zur Befristungsdauer hervorgehoben werden, zeigt umso mehr, dass eine Probezeit kürzer als die Befristungsdauer sein muss.
Nach Erwägungsgrund 27 der Arbeitsbedingungen-RL gestattet es die Probezeit, den Parteien des Arbeitsverhältnisses zu überprüfen, ob der Arbeitnehmer und die Stelle, für die er eingestellt worden ist, miteinander vereinbar sind, und dem Arbeitnehmer in dieser Zeit zugleich begleitende Hilfe anzubieten. Der Eintritt in den Arbeitsmarkt oder der Übergang auf eine neue Stelle soll nicht mit einer längeren Ungewissheit einhergehen. Wie in der europäischen Säule sozialer Rechte festgelegt, sollen Probezeiten daher eine angemessene Dauer haben.
Auch der nationale Gesetzgeber ist bei der (inhaltsgleichen) Übernahme des Unionsrechts ersichtlich von keinem anderen Normverständnis ausgegangen. Nach der Gesetzesbegründung setzt § 15 Abs. 3 TzBfG die Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen-RL um (vgl. BT-Drs. 20/1636 S. 34). Von dieser Vorgabe abweichende Regelungen sind damit weder beabsichtigt noch erfolgt.
Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das normative Gebot der Verhältnismäßigkeit von Probezeit- und Befristungsdauer gelte nicht für den „vorliegenden Sonderfall einer Probebefristung mit bereits von Anfang an bestehender vertraglicher Verschränkung mit einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung“, steht nicht in Einklang mit dem Wortlaut von § 15 Abs. 3 TzBfG, seiner Entstehungsgeschichte sowie seinem Normzweck.
Nach dem insoweit übereinstimmenden Normtext von Unionsrecht und nationalem Recht sowie dem Willen beider Normgeber sind bei der Bestimmung einer zulässigen Probezeit in einem befristeten Arbeitsvertrag als maßgebliche Parameter ausschließlich die vereinbarte Befristungsdauer sowie die Art der Tätigkeit berücksichtigungsfähig. Letzteres Merkmal knüpft nicht an Vertragsbedingungen für den Fall einer (ungewissen) Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das Befristungsende hinaus an, sondern nur an die nach dem Vertrag auszuübende Tätigkeit des Arbeitnehmers während der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses.
Gegen die Möglichkeit, die Probezeit auf die gesamte Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrags zu erstrecken, spricht zudem der Normzweck von § 15 Abs. 3 TzBfG. Beide Vertragsparteien sollen nach einer angemessenen Beschäftigungszeit, in der sie Gelegenheit hatten, die Vereinbarkeit des Arbeitnehmers für die eingenommene Stelle zu erproben, nicht mehr berechtigt sein, das Arbeitsverhältnis mit einer kurzen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist zu beenden. Wenn für ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht nur eine Kündbarkeit, sondern für die Gesamtdauer der Befristung auch eine unter Berufung auf Erprobungsgründe verkürzte Kündigungsfrist vereinbart werden könnte, sähe sich der Arbeitnehmer entgegen der Intention der Norm in besonderer Weise mit der Unsicherheit einer kurzfristigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch vor Ablauf der Befristung ausgesetzt. Dessen ungeachtet verbietet sich ein Gleichlauf einer vereinbarten Probezeit mit der Befristungsdauer auch schon deshalb, weil die Möglichkeit, den Arbeitsvertrag mit einer verkürzten Kündigungsfrist aufzulösen, bei Ausspruch einer Kündigung kurz vor dem Ende der Befristung wegen der einzuhaltenden (Probezeit)Kündigungsfrist ohnehin zu keiner kürzeren Vertragszeit als der vereinbarten Befristung führt.
Der Senat muss nicht entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Probezeit der Befristungsdauer (weitgehend) entsprechen darf, weil die Anforderungen des Arbeitsplatzes und/oder die besonderen Verhältnisse des einzustellenden Arbeitnehmers eine zuverlässige Beurteilung seiner Eignung in kürzerer Zeit nicht zulassen. Solche Tatsachen hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
Weder das Vorhandensein von vertraglichen Bestimmungen für den Fall der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das Befristungsende hinaus noch die in § 1 Nr. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Regelung, dass das Arbeitsverhältnis bei Fortsetzung nach Ablauf der Probezeit als auf unbestimmte Zeit begründet gilt, ändern etwas daran, dass die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben. Die Regelung in § 1 Nr. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags gibt ohnehin nur die für befristete Arbeitsverhältnisse nach § 15 Abs. 6 TzBfG bestehende Gesetzeslage wieder.
Eines auf den Streitfall bezogenen Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen-RL bedarf es nicht. Es ist schon nicht ersichtlich oder von den Parteien näher ausgeführt, welche konkrete Frage zur Auslegung des Unionsrechts sich vorliegend entscheidungserheblich stellen könnte. Die Vorgaben in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen-RL lassen den Mitgliedstaaten und deren Gerichten bewusst einen weiten und einzelfallbezogenen Spielraum bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Probezeit- zur Befristungsdauer. Unionsrechtliche Rechtspositionen außerhalb der Arbeitsbedingungen-RL, die diesen Raum begrenzen oder erweitern könnten, sind nicht erkennbar.
Die Vereinbarung einer am Maßstab des § 15 Abs. 3 TzBfG zu langen Probezeit lässt die darauf bezogene Vereinbarung entfallen. Sie ist vorliegend nicht auf die zulässige Dauer zu verkürzen. Bei dem von den Parteien verwandten Arbeitsvertragsformular handelt es sich nach den insoweit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB oder jedenfalls um vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (sog. Einmalbedingungen), weshalb eine geltungserhaltende Reduktion der arbeitsvertraglichen Vereinbarung auf das angemessene Maß zu unterbleiben hat. Dies führt dazu, dass es an den Voraussetzungen für die Anwendung des § 622 Abs. 3 BGB fehlt.