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Fristlose Kündigung: Offene Videoüberwachung und das Verwertungsverbot

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 40 Minuten

Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.
Ein auf Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gestütztes Verwertungsverbot scheidet regelmäßig in Bezug auf solche Bildsequenzen aus einer offenen Videoüberwachung aus, die vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen zulasten des Arbeitgebers zeigen (sollen), ohne dass es auf die Rechtmäßigkeit der gesamten Überwachungsmaßnahme ankäme.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten vorrangig über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Mitarbeiter in der Gießerei beschäftigt. Die Beklagte wirft ihm ua. vor, am 2. Juni 2018 (Samstag) eine sog. Mehrarbeitsschicht in der Absicht nicht geleistet zu haben, sie gleichwohl vergütet zu bekommen. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien hat der Kläger zwar an diesem Tag zunächst das Werksgelände betreten. Die auf einen anonymen Hinweis hin erfolgte Auswertung der Aufzeichnungen der durch ein Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehenden Videokamera an Tor 5 zum Werksgelände ergab nach dem Vorbringen der Beklagten aber, dass der Kläger dieses vor Schichtbeginn wieder verlassen hat. Zudem soll der Kläger die Präsenz eines Kollegen vorgetäuscht haben, indem er vor Betreten des Geländes zunächst dessen Werksausweis vor das Kartenlesegerät hielt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 5. Oktober 2019 außerordentlich fristlos und mit weiterem Schreiben vom 9. Oktober 2019 ordentlich zum 31. Dezember 2019.

Dagegen hat sich der Kläger rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt und ua. behauptet, er habe am 2. Juni 2018 gearbeitet. Die Erkenntnisse der Beklagten aus der Videoüberwachung und der elektronischen Anwesenheitserfassung unterlägen einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot. Dessen ungeachtet sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte habe die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB für die außerordentliche Kündigung nicht eingehalten.

Die Beklagte hat zur Begründung der Kündigungen behauptet, der Kläger sei am 2. Juni 2018 lediglich im Werk erschienen, um seine und des Kollegen Anwesenheit zur Ableistung der Mehrarbeitsschicht vorzutäuschen. Jedenfalls rechtfertige sein wahrheitswidriges Prozessvorbringen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Hierzu führte das Gericht aus:

Das Landesarbeitsgericht hat - der Sache nach - dem vorrangigen Antrag gegen die außerordentliche Kündigung rechtsfehlerhaft mit der Begründung entsprochen, es mangele an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass bereits das dem Kläger von der Beklagten vorgeworfene Verhalten am 2. Juni 2018 (Erschleichen von Vergütung hinsichtlich einer nicht abgeleisteten Mehrarbeitsschicht sowie Vortäuschen des Erscheinens eines Kollegen zur Arbeitsleistung) - wäre es unstreitig oder erwiesen - jeweils einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche fristlose Kündigung bilden könne.

Des Weiteren ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auch der dringende Verdacht eines solchen Verhaltens jeweils einen wichtigen Grund darstellen kann.

Allerdings hat das Berufungsgericht zu Unrecht gemeint, der Kläger habe das Vorbringen der Beklagten - ungeachtet des möglichen Eingreifens eines Sachvortragsverwertungsverbots - ausreichend bestritten, wonach er die Mehrarbeitsschicht am 2. Juni 2018 in Täuschungsabsicht nicht abgeleistet und das Erscheinen seines Kollegen zur Arbeitsleistung vorgetäuscht habe. Das Landesarbeitsgericht hat die Grundsätze der abgestuften Darlegungslast verkannt, die eingreifen, wenn der Arbeitgeber Vortrag zu einer negativen Tatsache (hier: die Nichtableistung der Schicht nach vorherigem Vorspiegeln der Präsenz) halten muss. Zudem hat es rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe die Behauptung der Beklagten ausreichend bestritten, er habe den Werksausweis eines Kollegen vor das Kartenlesegerät gehalten, um auch dessen Anwesenheit vorzutäuschen.

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