Ein Verkehrsteilnehmer, der im aufgebrachten Zustand verbal einschüchternd gegenüber einem
Fahrzeugführer auftritt und zudem noch gegenüber dem Pkw tätlich wird, muss damit rechnen, dass der Fahrzeugführer sich dieser bedrohlichen Situation durch Flucht entzieht. Kommt es bei diesem Fluchtversuch durch Fortfahren zu Verletzungen des aufgebrachten Verkehrsteilnehmers, so kann die Haftung des Fahrzeugführers aufgrund überwiegender eigener Verantwortlichkeit des Geschädigten entfallen.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und den Ersatz materieller Schäden nach einer Auseinandersetzung im Straßenverkehr.
Der Kläger und der Beklagte Ziff. 1 waren am 30.11.2014 gegen 19.30 Uhr mit ihren jeweiligen Kraftfahrzeugen - dasjenige des Beklagten Ziff. 1 haftpflichtversichert bei der Beklagten Ziff. 2 - auf der Büchenbronner Straße von Pforzheim in Richtung Büchenbronn unterwegs. Der Beklagte Ziff. 1 befuhr die linke Fahrspur der zunächst zweispurig verlaufenden Strecke und wechselte vor deren Verengung auf eine Fahrspur auf die rechte Seite. Der hinter dem Beklagten Ziff. 1 fahrende Kläger fühlte sich hierdurch behindert. Er folgte dem Beklagten Ziff. 1 deshalb bis nach Büchenbronn hinein, bis dieser sein Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand anhielt, fuhr links neben ihn und stellte ihn - zunächst aus dem Auto heraus - zur Rede. Nach kurzer Zeit stellte der Kläger sein Fahrzeug etwas weiter vorne ab, begab sich zu Fuß zum Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 zurück und setzte den Disput mit dem weiterhin in seinem Fahrzeug sitzenden Beklagten Ziff. 1 fort. Der Kläger befand sich dabei im Bereich der Fahrertür des Beklagtenfahrzeugs. Der Beklagte fuhr schließlich vorwärts davon, worauf der Kläger zu Boden ging. Der Kläger wurde mit einem RTW in die Siloah-Klinik nach Pforzheim gefahren, wo eine Fußquetschung rechts, eine Distorsion des oberen Sprunggelenks links sowie eine HWS Distorsion Grad I diagnostiziert wurden (Arztschreiben vom 30.11.2014).
Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte Ziff. 1 habe ihn bei dem Fahrstreifenwechsel stark geschnitten, weshalb er ihn zur Rede gestellt und ihm die hieraus resultierende Gefährdung deutlich gemacht habe. Der Beklagte Ziff. 1 habe geäußert, die Polizei rufen zu wollen, der Kläger habe zugestimmt. Anstatt dies zu tun, sei der Beklagte Ziff. 1 dann aber vorwärts losgefahren. Der Kläger habe an die Scheibe geklopft und den Beklagten Ziff. 1 aufgefordert zu warten, bis die Polizei da sei. Der Beklagte Ziff. 1 sei jedoch weiter gefahren und habe dabei den rechten Fuß des Klägers überfahren, was zum Sturz des Klägers geführt habe. Der Kläger habe hierdurch die diagnostizierten Verletzungen erlitten, zusätzlich eine Schwellung am Außenknöchel links. Der Kläger habe anschließend längere Zeit unter Beschwerden beim Gehen, Kopfschmerzen und Schwindel gelitten. Der Beklagte Ziff. 1 habe mithin durch sein Verhalten fahrlässig eine Körperverletzung des Klägers verursacht. Der Kläger habe nicht damit rechnen müssen, dass der Beklagte Ziff. 1 ohne Rücksicht auf den dicht am Fahrzeug stehenden Kläger seine Fahrt fortsetzen würde. Durch das Überfahren des Fußes sei auch der hochwertige Sportschuh des Klägers mit einem Zeitwert von mindestens 80,00 EUR beschädigt worden. Der Kläger hält ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.500,00 EUR für angemessen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagten zur Zahlung i.H.v. insgesamt 1.605,00 EUR zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten zu verurteilen.
Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt. Sie haben vorgetragen, der Beklagte Ziff. 1 sei ordnungsgemäß blinkend auf die rechte Fahrspur gewechselt, als der Kläger mit viel zu hoher Geschwindigkeit von hinten „angeschossen gekommen sei“. Der Kläger habe dem Beklagten Ziff. 1 anschließend bis nach Büchenbronn hinein auf der Stoßstange „geklebt“. Versuche, den nötigen Sicherheitsabstand herzustellen, seien erfolglos geblieben. Als der Beklagte Ziff. 1 angehalten habe, sei der Kläger so dicht links neben ihn gefahren, dass er den linken Seitenspiegel des Beklagtenfahrzeugs nach vorne weggedrückt habe. Der Beklagte Ziff. 1 habe den Kläger daraufhin aufgefordert, weiterzufahren, andernfalls er die Polizei rufen werde. Der Kläger sei, nachdem er sein Fahrzeug nach vorne weggesetzt habe, wutentbrannt ausgestiegen und habe derart am Griff der - verschlossenen - Fahrertür des Beklagten Ziff. 1 gerüttelt, dass dieser befürchtet habe, der Griff werde abreißen. Anschließend habe der Kläger stark auf das Fenster der Fahrertür eingetrommelt und schließlich mehrfach wie wild gegen das Beklagtenfahrzeug geschlagen. Der Beklagte Ziff. 1 habe sich bedroht gefühlt und sei deshalb langsam nach vorne weggefahren. Der Kläger habe sich hieraufhin in theatralischer Manier publikumswirksam in eine in der Nähe befindliche Hecke fallen lassen. Der Beklagte Ziff. 1 sei schließlich rückwärts - die Ehefrau des Klägers habe ihn an einer Vorwärtsfahrt gehindert - weggefahren, habe einen ihn bekannten Polizeibeamten aufgesucht, mit welchem er umgehend zur Örtlichkeit zurückgekehrt sei. Die Beklagten haben bestritten, dass der Beklagte Ziff. 1 dem Kläger über den Fuß gefahren sei und hierdurch dessen Sturz sowie die behaupteten weiteren Verletzungen verursacht habe. Die Verletzungen, falls sie vorlägen, könnten ebenso gut durch einen Tritt des Klägers gegen das Beklagtenfahrzeug entstanden sein. Der Kläger habe die behaupteten Verletzungen ggfls. selbst verschuldet. Ihm hätte klar sein müssen, dass der Beklagte Ziff. 1 sich angesichts des klägerischen Verhaltens entfernen würde. Ein Schmerzensgeld - welches ohnehin überhöht sei - sei auch deshalb nicht geschuldet, weil der Kläger die Situation selbst geradezu heraufgenötigt habe.
Das Amtsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme teilweise stattgegeben. Angesichts eines von dem Kläger vorgelegten Attestes und der dort dokumentierten Verletzungen stehe fest, dass der Beklagte Ziff. 1 dem Kläger über den Fuß gerollt sei. Es sei von einer fahrlässigen Verletzung auszugehen, für Vorsatz bestünden keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte. Es sei ein Schmerzensgeld i.H.v. 600,00 EUR angemessen; ob der Kläger durch den Vorfall auch die diagnostizierte HWS-Distorsion erlitten habe, könne dafür dahin gestellt bleiben. Es stehe fest, dass durch den Vorfall auch der Sportschuh des Klägers beschädigt worden sei. Den Schaden hat das Amtsgericht gem. § 287 ZPO auf 40,00 EUR geschätzt.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Die Beklagten bestreitet weiterhin, dass der Beklagte Ziff. 1 dem Kläger über den Fuß gefahren sei. Die behauptete Fußquetschung sei objektiv durch nichts belegt; aus dem vom Kläger vorgelegten Arztbericht lasse sich sie sich nicht sicher entnehmen. Zudem habe sie auch durch Treten gegen das Beklagtenfahrzeug verursacht werden können. Das Amtsgericht habe es versäumt, ein ausschließliches Eigenverschulden des Klägers zu prüfen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Beklagte Ziff. 1 dem Kläger über den Fuß gerollt und hierdurch die attestierten Verletzungen verursacht habe.
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