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Fälligkeit des Schadensersatzbetrages bei der 6-Monats-Frist

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Streitig war vorliegend lediglich zwischen den Parteien, ob der Kläger schon vor Ablauf der in der Rechtsprechung entwickelten 6-Monats-Frist sein Integritätsinteresse ausreichend nachgewiesen hat und ob der fehlende Ablauf der 6-Monats-Frist die Fälligkeit der Abrechnung der Nettoreparaturkosten hindert.

Grundsätzlich kann der Geschädigte seinen Schaden fiktiv abrechnen. Wenn - wie hier - der Reparaturaufwand (hier: 2872,24 Euro) zwischen Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert, hier also 1.310,00 Euro) und Wiederbeschaffungswert (hier: 3.800,00 Euro) liegt, sind die tatsächlich angefallenen Bruttoreparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzug des Restwertes zu ersetzen, anders als beim Integritätszuschlag spielen weder die Qualität der Reparatur noch die Frage der Weiterbenutzung des Kfz eine Rolle. Allerdings setzt die fiktive Abrechnung auf Nettoreparaturkostenbasis voraus, dass der insoweit beweisbelastete Geschädigte das Kfz sechs Monate repariert oder unrepariert weiter benutzt; die 6-Monats-Frist ist aber nicht starr anzuwenden, der Anspruch ist allerdings sofort und nicht erst ab Ablauf von sechs Monaten fällig.

Der BGH hat in dem Fall, in dem der Geschädigte den über dem Wiederbeschaffungswert liegende Fahrzeugschaden, der innerhalb der 130%-Grenze liegt, vollständig und fachgerecht reparieren lässt, die sofortige Fälligkeit bejaht und der Auffassung, dass die den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturkosten erst sechs Monate nach dem Unfall fällig werden, eine Absage erteilt.

Diese Konstellation ist auf den hier vorliegenden Fall grundsätzlich übertragbar, bei dem die Reparaturkosten zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert liegen. Der Begriff der Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann; ist eine Zeit für die Leistung nicht bestimmt, noch aus den Umständen zu entnehmen, kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen.

Soweit der Geschädigte wegen Beschädigung einer Sache Wiederherstellung oder den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen kann, tritt die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung ein.

Dass der Umfang der Ersatzpflicht in der Praxis regelmäßig erst nach einiger Zeit festgestellt werden kann, hindert daran grundsätzlich nichts. In dem entschiedenen Fall geht der BGH davon aus, dass der Geschädigte zum Ausgleich eines Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30% übersteigt, Reparaturkosten auch bei vollständiger und fachgerechter Reparatur nur verlangen kann, wenn er das Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate weiter nutzt. Grund für diese Rechtsprechung ist es, dass bestimmte Schadenspositionen nur dann verlangt werden können, wenn sich der Grund für ihre Zuerkennung als ausreichend beständig erweist. Ersatz des Wiederbeschaffungswertes bedeutet insoweit, dass der Restwert des beschädigten Fahrzeugs bei der Schadensregulierung unberücksichtigt bleibt, was allerdings nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Geschädigte ihn nicht – i.d.R. durch Verkauf - realisiert, so dass er sich nur als hypothetischer Rechnungsposten darstellt, der sich in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf, hier genießt das Integritätsinteresse des Geschädigten Vorrang.

Der BGH hat die Frage, ab wann ein Integritätsinteresse des Geschädigten im oben genannten Sinne zu bejahen ist, also ein nachhaltiges Interesse an der Weiternutzung des Fahrzeuges, dahingehend beantwortet, dass im Regelfall ein Zeitraum von sechs Monaten notwendig aber auch ausreichend ist bezüglich der Weiternutzung, um sein Integritätsinteresse ausreichend zum Ausdruck zu bringen.

Demnach stellt die 6-Monats-Frist keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung dar, sondern hat lediglich beweismäßige Bedeutung. Würde man die 6-Monats-Frist als eigenständige Anspruchsvoraussetzung verstehen, würde dies zu einer unzumutbaren Regulierungspraxis führen, da der Geschädigte bis zu sechs Monaten trotz ordnungsgemäßer Reparatur auf die Zahlung eines Großteils der ihm zustehenden Ersatzforderung warten müsste. Wird die Fälligkeit bis zum Ablauf der 6-Monats-Frist verschoben, könnte der Geschädigte, auch wenn sich sein Begehren als gerechtfertigt erweist, den Schädiger nicht vor Fristablauf in Verzug setzen. Dies liefe auf eine entschädigungslose Vorfinanzierung der Reparaturkosten durch den Geschädigten hinaus.

Auch sind zahlreiche Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Nutzung des Fahrzeuges aus anderen Gründen eingestellt werden muss, die zum Beispiel durch einen anderen Unfall oder sonstige schadensrechtlich unschädliche Nutzungshindernisse entstehen können.

Demnach ist es nicht gerechtfertigt, die 6-Monats-Frist als eigenständige Anspruchsvoraussetzung anzusehen. Die Tatsache, dass in diesem Falle der Schädiger bzw. die Haftpflichtversicherung bei sofortiger Fälligkeit das Insolvenzrisiko hinsichtlich eines Rückforderungsanspruchs trägt, sofern in der 6-Monats-Frist gezahlt wird, der Geschädigte aber innerhalb der 6-Monats-Frist das Fahrzeug gleichwohl weiter veräußert, muss im Hinblick auf die oben dargestellten gewichtigen Argumente hingenommen werden.


AG Remscheid, 11.08.2015 - Az: 8 C 88/15

ECLI:DE:AGRS:2015:0811.8C88.15.00

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