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Kreuzungsräumer gibt Handzeichen: Wer haftet beim Verzicht auf Vorfahrtsrecht?

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 5 Minuten

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Bei einem Verkehrsunfall an einer ampelgeregelten Kreuzung stellt sich die Frage der Haftungsverteilung, wenn ein sogenannter Kreuzungsräumer durch Handzeichen auf sein Vorrecht zum Räumen der Kreuzung verzichtet, anschließend jedoch selbst anfährt und dadurch eine Kollision herbeiführt.

Ein Kreuzungsräumer ist bevorrechtigt, eine Kreuzung zu verlassen, wenn er bei Grünlicht eingefahren ist und durch Verkehrsstockung am Weiterfahren gehindert wurde, bis die Ampel für den Querverkehr auf Grün schaltet.

Auf dieses Vorrecht kann durch eindeutiges Verhalten, insbesondere durch ein Handzeichen, wirksam verzichtet werden. Ein solches Handzeichen begründet einen Vertrauenstatbestand zugunsten des anderen Verkehrsteilnehmers, der darauf vertrauen darf, dass der Verzichtende stehen bleibt. Der Verzichtende zeigt durch sein Zeichen unmissverständlich an, dass er auf seine Bevorrechtigung verzichtet. Der begünstigte Verkehrsteilnehmer muss auf dieses Zeichen nicht seinerseits reagieren, solange sich die Situation nicht zu seinen Ungunsten verändert.

Entscheidet sich der Verkehrsteilnehmer, der zunächst auf sein Vorrecht verzichtet hat, doch noch anzufahren, muss er den durch sein eigenes Verhalten geschaffenen Vertrauenstatbestand deutlich beseitigen. Dies erfordert gemäß §§ 1 Abs. 2, 11 StVO eine erneute Verständigung mit dem anderen Verkehrsteilnehmer. Der Verzichtende muss sich davon überzeugen, dass der andere Verkehrsteilnehmer stehen bleibt und erkennbar nicht mehr auf das gegebene Zeichen vertraut. Ein bloßes Abwarten für einige Sekunden genügt hierfür nicht. Fährt der Verzichtende ohne weitere Verständigung wieder an, verletzt er das durch sein eigenes Verhalten geschaffene Vertrauen und handelt schuldhaft.

Die Haftungsverteilung richtet sich nach § 17 Abs. 1 StVG. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige beziehungsweise zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jede Seite hat die Umstände zu beweisen, die der anderen zum Verschulden gereichen und aus denen sie für die Abwägung günstige Rechtsfolgen herleiten will.

Ist ein schuldhaftes Verhalten des Verzichtenden erwiesen, während sich für den begünstigten Verkehrsteilnehmer kein Verschulden feststellen lässt, führt dies zu einer überwiegenden Haftung des Verzichtenden. Diesem ist anzulasten, dass er durch sein widersprüchliches Verhalten - zunächst Verzicht durch Handzeichen, dann Anfahren ohne erneute Verständigung - gegen die Verhaltenspflichten der §§ 1 Abs. 2, 11 StVO verstoßen hat. Dem begünstigten Verkehrsteilnehmer ist lediglich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zuzurechnen, sofern nicht festgestellt werden kann, dass er das Anfahren des anderen Fahrzeugs hätte rechtzeitig bemerken können oder dass zwischen Handzeichen und eigenem Anfahren so viel Zeit vergangen ist, dass er nicht mehr auf den Verzicht vertrauen durfte.

Eine Haftungsquote von 75% zu 25% zulasten des Verzichtenden erscheint in solchen Konstellationen angemessen (vgl. OLG Hamm, 26.01.1988 - Az: 9 U 217/87). Die 25%-Quote repräsentiert die dem begünstigten Verkehrsteilnehmer zuzurechnende Betriebsgefahr seines Fahrzeugs, während die 75%-Quote das schuldhaft widersprüchliche Verhalten des Verzichtenden widerspiegelt.


AG Lippstadt, 26.10.2012 - Az: 3 C 118/12

ECLI:DE:AGLP:2012:1026.3C118.12.00

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