Der Grundsicherungsträger muss die Kosten für eine Brillenreparatur übernehmen, wenn die gesetzliche Krankenversicherung hierfür nicht eintritt. Der mögliche Vorrang von Krankenversicherungsleistungen steht dem Anspruch aus dem SGB XII nicht entgegen. Der Anspruch besteht jedoch nur in Höhe der medizinisch notwendigen Kosten.
Hierzu führte das Gericht aus:
Bei der Brille handelt es sich um ein therapeutisches Gerät i.S.d. § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II. Was unter therapeutischen Mitteln und Geräten zu verstehen ist, ergibt sich aus den Ausfüllhinweisen des Statistischen Bundesamts zur Führung des Haushaltsbuchs im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013. Daraus ergibt sich, dass es sich bei Brillen um ein therapeutisches Gerät i.S.d. EVS 2013 handelt. Auch ergibt sich aus den Ausfüllhinweisen, dass nur die Ausgaben für die Anschaffung von Brillen in der EVS als regelbedarfsrelevant berücksichtigt wurden. Denn dem Hinweis „L/14 Reparatur von therapeutischen Geräten“ ist zu entnehmen, dass die Kosten für die Reparatur von therapeutischen Geräten gesondert erhoben werden.
Die Klägerin hat an der Brille eine Reparatur vornehmen lassen. Die neuen Brillengläser der Klägerin weisen die gleichen Werte auf wie die durch den Sturz beschädigten Gläser. Sie wurden aufgrund eines Defekts und nicht wegen veränderter Sehstärke ausgetauscht. Bei der Abgrenzung von Reparatur und Neuanschaffung ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf abzustellen, ob nur ein Glas oder beide Gläser beschädigt sind und deshalb ausgetauscht werden müssen. Um eine Reparatur handelt es sich, wenn eine defekte Brille nur in den funktionsfähigen, defektfreien Zustand zurückversetzt wird, in dem sie vor Schadenseintritt war. Zwar handelt es sich bei Brillengläsern um jeweils wesentliche Teile der Brille, sodass deren teilweiser Ersatz (anstelle einer technisch nicht möglichen oder zu aufwändigen „Glasreparatur“) denknotwendig auch dazu führt, dass wesentliche Teile der Brille „neu“ sind. Dies beruht aber letztlich nur auf der geringeren technischen Komplexität einer Brille verglichen mit anderem therapeutischem Gerät, rechtfertigt aber keine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II auf maximal ein Brillenglas. Jede andere, einengende Sichtweise würde dem gesetzgeberischen Konzept, das Reparaturbedarfe im Gegensatz zu Anschaffungsbedarfen ohne sachliche oder betragsmäßige Begrenzung den Sonderbedarfen zugewiesen hat, widersprechen. Die Abgrenzung von Reparatur und Neuanschaffung ist dahingehend vorzunehmen, dass der Ersatz eines oder beider Gläser dann nicht als Reparatur anzusehen ist, wenn dieser wesentlich ursächlich aus Gründen der Anpassung an eine geänderte Sehstärke medizinisch indiziert ist. Denn dann ist das bloße Zurückversetzen der Brille in einen funktionsfähigen Zustand, also eine Reparatur durch Ersatz der beschädigten Gläser in der früheren Stärke, ein untaugliches Mittel, weil diese Maßnahme objektiv nicht geeignet ist, die Sehbeeinträchtigung auszugleichen.
Der Anspruch ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin einen vorrangigen Anspruch gegen die Krankenversicherung gehabt hätte.
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